Die letzten Österreicher: Ein sterbendes Dorf in der Westukraine
Der Südtiroler Lukas Pitscheider porträtiert kommentarlos vier Bewohner*innen eines österreichischen Dorfs in den ukrainischen Waldkarpaten: Ein unaufgeregter Dokumentarfilm über ein sterbendes Dorf, über prekäre Lebensbedingungen, über Dableiben und Emigration.
Totalen einer weiten Waldgegend mit einem schmalen Tal dazwischen stehen am Beginn. Dann folgen Ansichten der schlammigen und von Schlaglöchern bestimmten Hauptstraße und der Häuser. Kein Insert informiert darüber, wo wir uns befinden, denn Lukas Pitscheider, der auf einer Reise im Frühjahr 2016 auf diese abgeschiedene Region stieß, hält sich mit Informationen sehr zurück.
Niedergang eines einst blühenden Dorfes
Auf jeden Kommentar verzichtet er, überlässt den Raum ganz seinen Protagonist:innen und fokussiert auf dem Hier und Jetzt. Anderen Quellen muss man so nicht nur entnehmen, dass dieses Tal in den ukrainischen Waldkarpaten liegt und dass rund 200 Vorfahren der Österreicher:innen, die in den Dörfern Königsfeld und Deutsch-Mokra leben, um 1800 als Waldarbeiter aus dem Salzkammergut hierher emigrierten.
Der Waldreichtum bescherte der Region einen wirtschaftlichen Aufschwung, doch diese goldenen Zeiten sind längst vorbei. Ärmlich wirkt die Siedlung, scheint in den 1950er Jahren stecken geblieben. Schaf- und Ziegenherden werden über die Hauptstraße getrieben, ein Pferdefuhrwerk fährt vorbei. Die Eisenbahnlinie wurde bei einem Hochwasser im Jahr 1998 so schwer beschädigt, dass sie stillgelegt wurde, auch die Holzfabrik, die zuvor 4000 Menschen Arbeit bot, wurde danach geschlossen.
Der zerstörte Bahnhof kündet ebenso von dem Niedergang wie die desolate Hauptstraße, gleichzeitig gibt es in den Häusern teilweise aber natürlich auch moderne Computer. Doch nicht nur materiell ist das Dorf vom Abstieg gekennzeichnet, sondern auch die österreichische Bevölkerung verschwindet langsam.
Fehlende Zukunftsperspektiven kontra ungebrochenen Optimismus
Während Vizebürgermeister Peter Sojma in schwer verständlichem, untertiteltem Deutsch erzählt, dass in seiner Jugend in Kindergarten und Schule noch österreichisch gesprochen wurde, scheint der junge Vitali Palinkasch die Sprache seiner Vorfahren nicht mehr zu beherrschen. Keine Zukunftsperspektiven bietet ihm die Region mit der Arbeit im Sägewerk. Um sich den Traum eines Hauses für sich und seine Familie zu verwirklichen, sucht er, wie viele, einen Job im westlichen Ausland.
Peter Sojma dagegen emigrierte schon in den 1990er Jahren nach Deutschland, kehrte aber wieder in seine Heimat zurück und kümmert sich nun um die Sanierung der Hauptstraße. Die 84-jährige Elisabeth Kais, die sich nie vorstellen konnte, ihre Heimat zu verlassen, wird nun aufgrund des Verkaufs des Hauses gezwungen umzuziehen: Fertig gepackt stehen ihre Koffer im Zimmer, auch Familienbilder nimmt sie noch mit.
Vom langsamen Verschwinden der Österreicher in dieser Region mit ihren ärmlichen Lebensbedingungen erzählt Lukas Pitscheider so in begleitender Beobachtung, stellt diesem Niedergang aber auch den ungebrochenen Optimismus von Josef Horkawtschuk gegenüber, der den Tourismus im Tal beleben will: Am Berg baut er gerade an einem Hotel für Feriengäste und träumt mit einem ausrangierten Skilift aus dem Westen ein Skigebiet zu eröffnen.
So pendelt der unaufgeregte Dokumentarfilm zwischen Niedergeschlagenheit und ungebrochenem Optimismus, erzählt vom Verschwinden des Alten, das am stärksten in einem Gang über den Friedhof spürbar wird, vom überzeugten Festhalten an Traditionen – von der Sprache bis zum Brauch des Scheibenschlagens – und von Zukunftshoffnung.
Der Film läuft am Samstag, den 1.10. um 19 Uhr in der Kinothek Lustenau.
www.kinothek.at