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Gunnar Landsgesell · 06. Mai 2022 · Film

Der Onkel - The Hawk

Michael Ostrowski erweist sich einmal mehr als Garant für das Unberechenbare, die sanfte geschmackliche Grenzüberschreitung und einen dezenten Zug zur Zerstörung. In „Der Onkel“ sucht er seine alte Geliebte (Anke Engelke) und deren Familie heim, die sich damals dann doch für seinen Bruder entschieden hatte. Doch der liegt jetzt im Koma. Eine „Komödie“, in der sich Witz und Verstörung die Waagschale halten, während Erwartungen permanent gebrochen werden.

Kennst du die Geschichte vom Habicht, der eines Tages unerkannt zwischen den Hühnern landet und am Abend mit ihnen in den Stall spaziert? Mike kennt sie nicht und so muss man noch ein bisschen auf den Ausgang warten, weil sie diesem Mike zwischen zwei, sagen wir, turbulenten Ereignissen erzählt wird. Er hat gerade einer Gruppe von Migranten ein paar Hundert Euro mit gezinkten Würfeln abgenommen, weshalb sie ihn nun verfolgen, während er selbst mit einer Kellnerin intime Bekanntschaft macht. Sie ist es auch, die ihm vom besagten Habicht erzählt. Und so darf man zu Recht vermuten, dass es zwischen Michael Ostrowski, der den Mike spielt, und diesem ominösen Greifvogel eine Parallele gibt. Ostrowski, der mit Helmut Köpping Regie geführt und das Drehbuch geschrieben hat, schneit zu Beginn des Films in abgetakelter Gangsterästhetik und mit der Coolness eines Westernhelden in den Film und es dauert eine ganze Weile, bis man ein bisschen einordnen kann, worum es hier geht. Mike steigt nächtens durch die Terrassentür in ein Designerhaus und wird es so bald nicht mehr verlassen. Die Familie seines Bruders, der im Krankenhaus im Koma liegt, hat ein eher zwiespältiges Verhältnis zu diesem seltsamen Onkel, der hier nach vielen Jahren auftaucht. Anke Engelke als des Bruders Ehefrau erweist sich als die ursprüngliche Freundin von Mike, womit die Rückkehr des Onkels sich gleichermaßen als alte Liebes- wie auch aktuelle Rachegeschichte entpuppt. Dazu kommt, dass offenbar auch der komatöse Bruder  nicht unbedingt eine weiße Weste hat. Dass das Familienleben nach und nach ins Wanken gerät, hat also ein bisschen mit der Dramaturgie des Films zu tun, aber noch viel mehr mit den zeitweise irritierenden Auftritten Ostrowskis als „Der Onkel“. Das ist nicht im klassischen Sinn lustig, aber sehenswert.

Verstörende Komödie

Seit zwei Jahren war „Der Onkel - The Hawk“ bereits fertigproduziert und lag dann wegen der Corona-Regelungen auf Eis. Davor gab es einige Anläufe bei den Förderungen, man glaubt es, denn dieser Film versucht auf mehrfache Weise, Erwartungen zu brechen. Ein hybrider Genremix aus parodistischer Komödie mit melodramatischen Gangstereinsprengseln, der vielfach aus einer scheinbar puren Improvisation immer neue schräge, infantile Szenen und oftmals geradezu verstörende Stimmungen schafft. Die Idee einer ominösen Figur, die in eine Familie kommt und dort Unruhe auslöst, erinnert an eine Reihe von Filmen (Hitchcock, Pasolini,...), die hier aber nicht zitiert werden. „Der Onkel“ findet seinen eigenen austriakischen Rhythmus, in den sich nicht nur die deutsche Schauspielerin Anke Engelke wacker einfindet, sondern auch Simon Schwarz und Hilde Dalik (Ostrowskis Lebensgefährtin) als eigentümliches Nachbar-Ehepaar. Bei all den Troubles, in die hier auch die beiden Kinder der Familie (das sind die Kinder Ostrowskis, Elisea und Maris) gezogen werden, und die bis in eine provinzielle Schmiergeldaffäre führen, hält „Der Onkel“ doch Kurs und verliert sich nicht in einer Nummern-Revue à la Tohuwabohu, sondern verfolgt sein Thema einer unvollendeten Liebesgeschichte mit Untertönen eines Racheepos beharrlich. Eine verstörende Komödie, in der die Bereitschaft zu lachen irgendwann so verwüstet ist wie das Wohnzimmer dieses Luxushauses.