Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Walter Gasperi · 05. Mai 2022 · Film

Aktuell in den Filmclubs (6.5. - 12.5. 2022)

Beim TaSKino Feldkirch steht in dieser Woche Peter Brunners bildgewaltiges Mutter-Sohn- und Exorzismus-Drama „Luzifer" am Programm. Filmforum Bregenz und Skino Schaan zeigen dagegen Jacques Audiards betörenden Liebesreigen „Les Olympiades - Wo in Paris die Sonne aufgeht".

Luzifer: Abgeschieden auf einer Alp lebt eine Mutter (Susanne Jensen) mit ihrem erwachsenen Sohn (Franz Rogowski). Ganz von Gebeten und Ritualen ist ihr Leben bestimmt. Der Ausstieg aus dem Alkoholismus, in den sie vor Jahren aufgrund des jahrelangen Missbrauchs durch ihren Vater gestürzt ist, hat sie wohl in diesen Wahn getrieben, den sie nun ihrem Sohn indoktriniert und ihn damit auch wieder selbst missbraucht. Kaum ein Wort sprechen kann dieser Johannes, der von Franz Rogowski ebenso mit Inbrunst und Intensität gespielt wird wie die Mutter von Susanne Jensen.
Zunehmend gestört wird diese fast inzestuöse Beziehung durch Pläne für die Errichtung eines Skigebiets. Rot markierte Bäume weisen auf die geplanten Eingriffe in die Natur hin, doch die Mutter will die Alp nicht verkaufen. Sukzessive wird der Druck erhöht, denn kreist zunächst nur eine einzelne Drohne um das Haus, folgen bald ein Hubschrauber und schließlich eine Schlägertruppe, die die Mutter mit Alkohol abfüllt und zur Unterschrift des Kaufvertrags zwingt. In diesem Rückfall in den Alkoholismus sieht der Sohn wiederum einen Angriff des Teufels, auf den er mit einem Exorzismus reagiert.
Ebenso wortkarg wie bildgewaltig und konzentriert ist „Luzifer" mit der weitgehenden Beschränkung auf die Alp als Schauplatz und Mutter und Sohn als Protagonisten. In großartigen Landschaftstotalen beschwört Kameramann Peter Flinckenberg immer wieder die Schönheit der unberührten Bergwelt, die durch die Gier der Tourismusindustrie – oder der Menschen im Allgemeinen – bedroht ist. Moderne Welt und Natur treffen aber auch in der Opposition der Drohnen zum Adler, mit dem der Sohn immer wieder spielt, aufeinander.
So konkret hier aber auch Gesellschaftskritik geübt wird, so grundsätzlich wirft „Luzifer" auch Fragen nach der Existenz und dem Eingreifen Gottes und des Teufels auf, wenn alle Gebete und Rituale von Mutter und Sohn letztlich keine Wirkung zeigen, und schließlich die Drohnen aus der immer wieder ins Bild gerückten dunklen Felshöhle, in der das Böse zu hausen scheint, über die Alp herfallen.
TaSKino Feldkirch im Kino Rio: Sa 7.5. – Di 10.5.


Les Olympiades – Wo in Paris die Sonne aufgeht:
Leichthändig verknüpft Jacques Audiard mehrere Liebesgeschichten aus einem Pariser Viertel zu einem betörenden Reigen. Da gibt es die Chinesin Émilie (Lucie Zhang), die mit dem afrikanischstämmigen Lehrer Camille (Makita Samba) Sex, aber keine Beziehung hat. Dennoch reagiert sie wütend, als Camille sich von ihr abwendet. Die 32-jährige Nora (Noémie Merlant) wiederum kommt nach Paris, um Jus zu studieren. Doch als sie von ihren Kolleg:innen gemobbt wird, weil sie für das Camgirl Amber Sweet (Jehnny Beth) gehalten wird, bricht sie ihr Studium ab und nimmt einen Job als Immobilienmaklerin an. Dort lernt sie wiederum Camille kennen, der seinen Job als Lehrer aufgegeben hat.
So betörend „Les Olympiades" durch die brillanten Schwarz-Weiß-Bilder ist, so begeisternd ist die Leichthändigkeit der Erzählweise. Frei und fließend lässt Audiard die Handlung dahinmäandern. Aber auch formale Mittel wie Splitscreen, Zeitlupe oder die vagen Zeitinserts „So fing es an", „Etwa einen Monat später" und „Sonntag" schiebt er je nach Bedarf ganz selbstverständlich ein.
Ebenso musikalisch wie genuin filmisch wirkt dieser Liebesreigen durch die befreite Form und vermittelt mit dieser flottierenden Erzählweise auch über die formale Ebene die Ungezwungenheit und Unverbindlichkeit der wechselnden Beziehungen, aber auch die Intensität der Gefühle der Jugend, ihr Begehren und ihre Sehnsucht. Zu verdanken ist dies wohl auch den beiden Co-Drehbuchautorinnen Céline Sciamma und Léa Mysius, denen es auch in ihren eigenen Filmen immer wieder gelingt, tief in die jugendliche Erfahrungswelt einzutauchen. Und selbstverständlich tragen auch die unverbrauchten und natürlich agierenden, unbekannten Schauspieler:innen viel zur jugendlichen Frische von „Les Olympiades" bei.
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Mi 11.5., 20 Uhr
Skino Schaan: 5.5., 20.30 Uhr; 7.5., 18 Uhr; 8.5. 20.15 Uhr; 11.5., 18 Uhr


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