Aktuell in den Filmclubs (13.5. – 19.5.2022)
Am Spielboden Dornbirn versetzt diese Woche der britische Dokumentarfilmer Jerry Rothwell in „Warum ich euch nicht in die Augen schauen kann – The Reason I Jump“ die Zuschauer:innen in die Wahrnehmungswelt von nonverbalen Autisten. Das Skino in Schaan zeigt dagegen mit „Olga" ein starkes Drama um eine junge ukrainische Kunstturnerin, die sich während der Demonstrationen auf dem Kiewer Maidan-Platz 2013 im Schweizer Exil auf einen Wettkampf vorbereitet.
Warum ich euch nicht in die Augen schauen kann – The Reason I Jump: Tiefe Einblicke in seine Wahrnehmung und seine Gefühle bot der 1992 geborene nonverbale Autist Naoki Higashida, als er im Alter von 13 Jahren das Buch „Warum ich euch nicht in die Augen schauen kann. Ein autistischer Junge erklärt seine Welt“ schrieb. 2007 erschien dieses Buch, in dem Naoki Antworten auf 58 Fragen zum Autismus bietet, in Japan und entwickelte sich zum weltweiten Bestseller, der in mehr als 30 Sprachen übersetzt wurde.
Der Plan einer Verfilmung scheiterte an der Weigerung Naokis, vor die Kamera zu treten, dennoch bildet das Buch das Rückgrat von Jerry Rothwells Dokumentarfilm. Mit Detailaufnahmen und Verstärkung von Tönen wie dem Kratzen von Kufen auf Eis oder dem Prasseln des Regens und Passagen aus dem Buch lässt Rothwell in die Erfahrungswelt von nonverbalen Autisten eintauchen. Diesen immersive Bild- und Tonteppich verknüpft der Brite mit vielschichtigen Porträts von fünf Autisten, bei denen Rothwell den Bogen um die Welt spannt.
Ganz unterschiedliche Probleme und Lebensfelder werden dabei sichtbar. Vor allem aber bringt „The Reason I Jump“, dessen Originaltitel sich darauf bezieht, dass einer der Porträtierten mittels Trampolinsprüngen seine Gefühle ausdrückt, die er mit Worten nicht vermitteln kann, mit seinem fulminanten Bild- und Klangteppich die Wahrnehmungswelt nonverbaler Autisten nahe: Augen öffnen kann so dieser Dokumentarfilm und über diese unmittelbare sinnliche Erfahrung auch das Denken über Autismus ändern.
Spielboden Dornbirn: Di 17.5. + Sa 22.5. - jeweils 19.30 Uhr
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Do 26.5., 20 Uhr
Olga: Ukraine, 2013: Das große Ziel der 15-jährigen Kunstturnerin Olga ist es, mit der Nationalmannschaft zur Europameisterschaft zu fahren. Als aber auf sie und ihre Mutter, die eine regierungskritische Journalistin ist, nachts ein Anschlag verübt wird, wird Olga in die sichere Schweiz geschickt. Dort soll sie in der Familie des verstorbenen Vaters leben und ihre Turnkarriere in der Schweizer Mannschaft fortsetzen. Einerseits tut sich der Teenager aber schwer, in der Fremde eine neue Heimat zu finden, andererseits eskalieren die Spannungen in ihrer Heimat mit gewalttätigen Auseinandersetzungen auf dem Kiewer Maidan-Platz sukzessive. So baut sich für den Teenager ein Gewissenskonflikt auf: Soll sie die Schweizer Staatsbürgerschaft annehmen und ihre sportliche Karriere in den Vordergrund stellen oder muss sie zurück in ihre Heimat und wie ihre Freundin auf dem Maidan-Platz für einen Umsturz kämpfen?
Viele Themen behandelt Elia Grappe in seinem mit drei Schweizer Filmpreisen ausgezeichneten Spielfilmdebüt, dennoch wirkt „Olga“ aber weder überladen noch kommt das Gefühl auf, dass ein Aspekt nur oberflächlich angerissen wird. Bestechend sicher und prägnant entwickelt Grappe die Handlung und findet auch in einem sieben Jahre später spielenden Epilog für seine Olga eine Lösung, die überzeugt. Bedrückung lösen dabei allerdings angesichts der derzeitigen Situation in und um diesen osteuropäischen Staat die Bilder von einem nun sonnigen und friedlichen Maidan-Platz, auf dem die Menschen flanieren, aus.
Skino Schaan: Do 19.5., 18 Uhr
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