Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Walter Gasperi · 19. Mai 2012 · Film

Der Diktator

Unverschämt – und unverschämt witzig ist der neue Film von Sascha Baron Cohen. Auch in der Rolle eines nordafrikanischen Diktators nimmt der britische Comedian kein Blatt vor dem Mund, macht Witze über Diktatur, Feminismus und westliche Demokratie. So richtig bissig ist das zwar nicht, aber auf jeden Fall sehr unterhaltsam – vorausgesetzt man kann über Geschmacklosigkeiten lachen.

Schon die Widmung ist eine Provokation: „In stiller Erinnerung an Kim Il Sung.“ Die Gangrichtung wird damit vorgegeben. Sascha Baron Cohens Humor unterschreitet konsequent die Grenzen des guten Geschmacks, alles und jeder bekommt hier sein Fett ab, dennoch entwickelt "Der Dikatator" keinen Biss, der wirklich weh tut, erfreut aber durch seine hemmungslose Respektlosigkeit.

Gaddafi + Achmadinedschad + Hussein = Aladeen

Nachdem der britische Comedian in „Borat“ in die Rolle eines kasachischen Fernsehjournalisten und in „Bruno“ mit wenig Erfolg in die eines schwulen österreichischen Fashion-Experten geschlüpft ist, präsentiert er sich nun als Diktator des nordafrikanischen Staates Wadiya. Die Anspielung auf Gaddafi ist unübersehbar, doch auch Elemente von Saddam Hussein und des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad mischt Baron Cohen in die Rolle.
Wer nicht nach der Pfeife von Admiral General Aladeen tanzt, wird kurzerhand geköpft, westliche Stars holt er sich mit großzügiger Entlohnung ins Bett, baut an einer Atomrakete, um endlich Israel vernichten zu können, muss aber auch stets Attentate fürchten.
Als die UNO aufgrund des Atomprogramms des Diktators einen Präventivschlag gegen Wadiya in Erwägung zieht, reist Aladeen nach New York um eine Rede zu halten, gerät dort aber durch einen Attentatversuch plötzlich unter die New Yorker Bevölkerung.

Reiner Spielfilm

Sascha Baron Cohen ist nichts heilig – und davon leben seine Filme. Über Massenhinrichtungen macht er sich ebenso lustig wie über Feminismus, mit Scherzchen über Bin Laden und 9/11 sorgt der Diktator in einem Helikopter für Unruhe, der Westen wiederum ist nur am Geschäft interessiert und wenn Aladeen eine Rede über die Vorzüge der Diktatur hält, dann scheint vieles davon im Zuge von 9/11 in den USA schon längst verwirklicht worden zu sein.
Schlanke 80 Minuten gibt Larry Charles dem Diktator nur – und das ist gut so. Schnell kommen die Pointen, herrlich spielt der britische Comedian mit dem politisch korrekten Denken und stellt diesem seine Unverfrorenheit gegenüber.
Den Biss seiner bisherigen Filme kann "Der Diktator" allerdings nicht erreichen, denn das (Pseudo)-Dokumentarische mit der realen oder auch gespielten Veräppelung von Prominenten, die bisher in die Handlung einfloss, gibt es hier nicht mehr. An der Realität orientiert sich der Film zwar, ist aber durch und durch inszeniert. Die Sprengkraft seiner bisherigen Filme geht damit verloren, auch mit Chaplins „The Great Dictator“, an den sich „Der Diktator“ sichtlich anlehnt, kann er sich nicht messen, weil Chaplin ungleich detaillierter und damit treffender und böser Hitler und seine Diktatur entlarvte.

Stars in Nebenrollen

Während Stars in Baron Cohens bisherigen Filmen teils unbewusst in sein Spiel involviert wurden, verleihen sie hier Nebenrollen starke Präsenz. Hinreißend ist Ben Kingsley als um die Herrschaft betrogener Onkel des Diktators, einen Kurzauftritt absolviert Megan Fox als Bettgespielin, etwas mehr Raum bekommt der wie immer wunderbare John C. Reilly als amerikanischer Sicherheitsbeamter, der ganz andere Pläne verfolgt.
Wie diese Stars aber ebenso wie Anna Faris in der Rolle einer veganen Öko-Aktivistin und Feministin nur als Stichwortgeber fungieren, dient auch die wild zusammengeflickte Handlung nur dazu Sascha Baron Cohen eine Plattform zu bieten, um ein Gagfeuerwerk abzubrennen. An diesem freilich kann man sich köstlich amüsieren, sofern man nicht allzu viel mitdenkt, sondern sich einfach dem Film überlässt.