Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Gunnar Landsgesell · 22. Apr 2022 · Film

Der Bauer und der Bobo

Falter-Chefredakteur Florian Klenk besucht den Bergbauern Christian Bachler, dessen Hof er mit einer Spendenaktion gerettet hat. Eine sehenswerte Begegnung, die aber einen stärkeren Fokus auf die ungelösten Fragen der industriellen Landwirtschaft vertragen hätte.

Unter Fanfarenklängen geht es im Galopp den Forstweg entlang, vorne der Bauer mit dem Futterkübel, hinter ihm mit ausladenden Schritten die Kühe. Ein derart beschwingter Beginn ist natürlich nur durch die Rettungsaktion möglich, die der Chefredakteur des Falter, Florian Klenk, für Christian Bachler, den schwer verschuldeten Bauern in der steirischen Krakau, initiiert hatte. Mit über 400.000 Euro Spendengeldern konnte die Versteigerung des Bergbauernhofes und damit auch ein Familiendrama verhindert werden. Das sind auch die Prämissen für diesen Dokumentarfilm.
Nach einer tödlichen Kuh-Attacke auf eine Touristin war ein Tiroler Landwirt gerichtlich verurteilt worden, Klenk hatte das Urteil verteidigt. Bachler forderte den Bobo in einer seiner Videoansprachen auf, von seinem hohen Ross zu steigen und ein bisschen Realität am Hof zu schnuppern. Seither sind die beiden Verbündete und medial ein Gespann, worüber schon in einem Buch zu lesen war. Nun gibt es also auch eine Kinoauswertung dieser Buddy-Geschichte. Das Narrativ ist: Der „arrogante“ Redakteur (Falter-Natur-Ressort-Leiter Narodoslawsky über Klenk) ist gleichsam aufgewacht und sieht plötzlich hinter dem verpackten Fleisch aus dem Supermarkt die katastrophalen Produktionszwänge wie auch das Tierleid der industrialisierten Landwirtschaft und beginnt sich für die Gründe zu interessieren.

Biersaufen und Jammern

Im Film steht Bachler symptomatisch für eine ganze Branche. Aus seinen Hofführungen kann man einiges über eine aus den Fugen geratene bäuerliche Welt erfahren: Dass 10 Liter Zirbenschnaps (über Selbstvermarktung) den gleichen Gewinn einbringen wie 1.200 Liter Milch. Dass für Fleisch vom Yak, das auf Bachlers Steilhängen die Verbuschung verhindert, von Konsumenten zehnmal so viel bezahlt wird wie für das Fleisch einer Kuh. Dass das Alpenschwein ohne Weiteres im Freien leben und dort Wiesen umackern kann, und dass die Landwirtschaftsförderung in Zukunft flächengebunden sein muss. Klenk horcht zu und fragt bei Bachler nach, und Filmemacher Kurt Langbein, einer der verdientesten (TV-)Dokumentaristen des Landes, tut gut daran, diese Asymmetrie im Film beizubehalten. (Bachlers Gegenbesuch in der Falter-Redaktion ist kurz.) Die Verständigung zwischen Bobo und Bauern ist ein wichtiger Teil dieses Projekts und der gesellschaftlichen Diskussionen über die Zukunft der Landwirtschaft. Die Risse, die sich innerhalb der landwirtschaftlichen Gesellschaft durch existenzielle Produktionszwänge aufgetan haben, werden im Film aber nur angedeutet. In einer Szene lässt ein nachgestelltes Streitgespräch zwischen Bauern im Dorfwirtshaus erahnen, dass Bachler mit seinen alternativen Ansätzen nicht mehrheitsfähig ist. Trotz finanzieller Nöte und Biodiversitätskrise bestärken sich die Bauern, so weiterzumachen wie bisher, während Bachler oben am Berg vor der Kamera erklärt, die Bauern vertreten eine Kultur des Biersaufens und Jammerns, statt etwas zu verändern. Eine direkte Begegnung und den Austausch der Argumente vermisst man hier, doch es geht ja längst nicht allein um die (ohnehin bereits folklorisierte) Verständigung zwischen Stadt und Land, sondern ganz generell um die Neuaufstellung eines pervertierten Agrarsystems. Hier bleibt der Film ein bisschen im Modus der Faszination Klenks für das „neu entdeckte" verhaftet. Nahezu ausgespart bleibt auch der eigentliche Anlass, aus dem „der Bauer und der Bobo" entstand: die tödliche Kuh-Attacke, über die sich Klenk und Bachler offenbar weiterhin nicht einig sind. Dabei böte gerade die Almwirtschaft Raum, um das schwierige Verhältnis zwischen Kultur- und Naturlandschaft zu erörtern. Das hat definitiv auch mit der bäuerlichen Misere der Industrielandwirtschaft zu tun.