Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Walter Gasperi · 17. Sep 2011 · Film

Bulb Fiction

„Bulb“ – das ist die englische Bezeichnung für Glühbirne. Per EU-Verordnung soll ihr bis 2016 sukzessive der Garaus gemacht werden. An ihre Stelle sollen flächendeckend Energiesparlampen treten. – Doch diese sind umstritten. Nach einer Idee von Moritz Gieselmann spürt Christoph Mayr in seinem investigativen Dokumentarfilm den Verflechtungen von Wirtschaft und Politik sowie den Lügen über den offiziell verordneten Leuchtkörper nach und fordert zum Widerstand gegen unsinnige EU-Verordnungen auf.

Mit Michael Moore hat der kommerzielle Erfolg des investigativen Dokumentarfilms begonnen. In Österreich haben Erwin Wagenhofer in „We Feed the World“ und „Let's Make Money“ und Werner Boote in „Plastic Planet“ Themen aufgegriffen, die die Öffentlichkeit interessierten. Zum richtigen Zeitpunkt kommt nun Christoph Mayrs und Moritz Gieselmanns Film über das Verbot der Glühbirne in die Kinos. Nachdem schon seit 2009 keine 100 Watt Glühbirnen mehr auf den Markt gebracht werden dürfen, gilt das Verbot seit 1. September 2011 auch für 60 Watt Lampen.

Aufdeckung und Appell an die BürgerInnen

Was Christoph Mayr und Gieselmann, der nicht nur die Idee lieferte, sondern auch die Kamera führte, davon halten, bringt schon das Filmplakat zum Ausdruck: In einer Glühbirne bildet der Wolframfaden eine geballte Faust. Der Film bewegt sich folglich auch in zwei Stoßrichtungen. Auf der einen Seite werden die Lügen über die Energiesparlampe aufgedeckt, auf der anderen wird versucht die Bevölkerung zum Aufbegehren gegen unsinnige Verordnungen zu motivieren. Facettenreich ist „Bulb Fiction“, dessen Titel unübersehbar auch auf den Tarantino-Kultfilm „Pulp Fiction“ anspielt, damit zwar, zerfasert aber auch etwas in der Fülle und bleibt in der Argumentation manchmal doch eher schwach oder auch fragwürdig.

Fragwürdige Gleichsetzungen

So versucht Mayr die Gesundheitsschädigung durch den hohen Quecksilbergehalt der Energiesparlampen herauszustreichen. Als Beispiel bringt er dafür allerdings „nur“ das Schicksal eines bayrischen Kindes, dessen krankheitsbedingte Glatze zudem penetrant zwecks emotionaler Manipulation des Zuschauers ins Bild gerückt wird. So bedauerlich der Fall im Einzelnen auch ist, so handelt es sich dabei doch wohl um eine Ausnahme, denn wie oft gehen denn schon Energiesparlampen (oder bislang Glühbirnen) wirklich zu Bruch, sodass Quecksilber entweichen kann. Nicht nur polemisch, sondern auch unzulässig und zynisch scheint es, diese Gefahr mit dem Bericht von Vergiftungen im Japan der 1950er Jahre, als ein Chemiekonzern quecksilberhaltige Abfälle ins Meer entsorgte, gleichzusetzen. Ähnlich fragwürdig ist aber auch die vom Filmemacher hergestellte Parallele von Zwischenlagern von Quecksilber und von Atommüll.

Breite statt Tiefe und Dichte

Überzeugender ist „Bulb Fiction“ da schon, wenn Mayr die Instrumentalisierung der Politik durch die Konzerne aufdeckt, wenn er auf die Geschichte der Glühbirne blickt und sich erzählen lässt, dass schon 1924 die Marktführer Absprachen bezüglich der Brenndauer der Leuchtkörper trafen. Gezielt gering gehalten wurde diese und wird sie weiterhin, um den Profit zu maximieren.
Auch weitere Punkte, wie das im Gegensatz zum natürlichen Licht und dem Licht der Glühbirne deutlich kältere Licht der Energiesparlampe, das Problem der Entsorgung oder die Rolle von Greenpeace, das eine kritische Studie zur Energiesparlampe unterdrückte und die EU-Verordnung unterstützte, werden beleuchtet.
Bis nach Indien und China haben Christoph Mayr die Recherchen geführt, doch in der Fülle der kurzatmig abgehandelten Aspekte gewinnt der Film, der ganz von Interviews lebt und die visuelle Ebene vernachlässigt, kaum Dichte. Das liegt auch daran, dass Mayr unentschieden zwischen einem polemischen Film zum „Glühbirnen-Verbot“ und dem Appell ans Publikum zum Widerstand gegen solche Verordnungen schwankt.

Fehlende Durchschlagskraft

Durchschlagskraft entwickelt „Bulb Fiction“ auf keiner Ebene. Das mag einerseits daran liegen, dass das Thema „Glühbirne“ wohl doch kein so weltbewegendes ist, andererseits aber auch daran, dass trotz sorgfältiger Recherche „Bulb Fiction“ nie wirklich Dringlichkeit entwickelt oder zwingend wird. Interessiert folgt man zwar den Ausführungen, doch wirklich aufzurütteln, wütend zu machen oder zu erschüttern, vermag nur das Archivmaterial von der japanischen Katastrophe. Zu wenig versteht es Mayr, entscheidende Punkte zu verdichten, und er lässt zu viel an Biss vermissen, um wirklich zu packen.