Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Walter Gasperi · 14. Sep 2011 · Film

Gastarbajter

In den frühen 1970er Jahren kamen zahlreiche JugoslawInnen als GastarbeiterInnen nach Vorarlberg. Nun geht diese Generation in Pension und Renate Djukić lässt in ihrem Dokumentarfilm sechs ArbeitsmigrantInnen auf einer Reise mit dem Bus in ihre Heimat über ihre Empfindungen und das Leben zwischen zwei Welten erzählen.

Komödiantisch haben zuletzt die Schwestern Yasemin und Nesrin Şamdereli in „Almanya – Willkommen in Deutschland“ von der türkischen Arbeitsmigration der 1960er Jahre und dem Kulturschock, den sie bei der Ankunft in Deutschland erlebten, erzählt. Die Geschichte türkischer Gastarbeiter in Österreich hat vor vier Jahren Kenan Kilic in seinem Dokumentarfilm „Gurbet – In der Fremde“ erkundet, den Wandel in ihren Arbeits- und Lebensbedingungen, aber auch ihre innere Zerrissenheit geschildert.
Wie die Şamderelis legt auch Renate Djukić, die selbst Tochter serbischer Eltern ist, ihren Film als Roadmovie an. Sie begleitet eine Frau, die nun in Pension geht, auf der Fahrt mit dem Bus in ihre einstige serbische Heimat und lässt auf dieser Fahrt auch andere GastarbeiterInnen zu Wort kommen.

Einfühlsam

Nah ist die Kamera an den Menschen, lässt ihnen viel Raum und Zeit um zu erzählen. Geduldig ist der Blick und gelassen die Erzählweise. Ganz auf Augenhöhe der fünf Frauen und eines Mannes, die zu Wort kommen, ist Djukić, auf Off-Kommentar verzichtet sie. Emotional nahe kommt so auch der Zuschauer den Porträtierten, die ganz im Sinne von Max Frischs berühmtem Satz nicht anonyme Arbeitskräfte bleiben, sondern zu Menschen mit Gefühlen werden. In diesem einfühlsamen Blick kann man die Zerrissenheit und Heimatlosigkeit nachvollziehen, zu der das Leben in der Fremde führte.
Geschickt vermittelt Djukić diese Gefühle aber auch durch die lange Reise zwischen den beiden 1300 km voneinander entfernten Welten, dieses Unterwegssein zwischen den Welten. Im Zentrum des Films steht die Busfahrt, die schön gerahmt wird von etwa gleich langen Abschnitten über die Abreise von Vorarlberg und den Empfang in Jugoslawien. Auf der stimmungsmäßigen Ebene vermag „Gastarbjter“ so zu überzeugen, wenig erfährt man aber letztlich über das Leben der jugoslawischen GastarbeiterInnen in Vorarlberg. Sicherlich gab es für diese Gruppe keinen so großen Kulturschock wie für die türkischen MigrantInnen, doch dass sich die Schilderungen weitgehend auf das Aufzählen der Firmen, in denen man arbeitete, beschränkt, ist doch etwas mager. Nur gegen Ende berichtet eine Frau über Feiern am Wochenende oder der einzige Mann, der zu Wort kommt, über einen Fußballclub, den die Gastarbeiter in Hohenems gründeten.

Beschränkung auf persönliche Befindlichkeit

Spannend wäre es gewesen zu erfahren, wie diese ArbeitsmigrantInnen ihre Ankunft in Vorarlberg erlebten, wie sie aufgenommen wurden, wie sich ihr Alltag abspielte, und wie sich ihr Verhältnis zur Mehrheitsgesellschaft entwickelte. Doch dafür scheint sich Djukić nicht zu interessieren, und es bleibt trotz knapper 75 Minuten bei einer letztlich redundanten Beschwörung der Heimatlosigkeit. In einem Pferd, das auf einer nächtlichen Landstraße herumirrt, findet die Regisseurin dafür zwar durchaus ein einprägsames Bild, doch insgesamt hätte man von einem Film zu einem solchen Thema doch erwartet, dass er sich nicht auf die Ebene der persönlichen Befindlichkeit beschränkt, sondern den Blick auch auf gesellschaftliche Komponenten richtet.