Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Walter Gasperi · 26. Sep 2011 · Film

Auf brennender Erde

Als Drehbuchautor für Alejandro González Iñárritu wurde der Mexikaner Guillermo Arriaga bekannt. In seinem ersten eigenen Spielfilm arbeitet er nicht nur wiederum mit der Verschränkung mehrerer Erzählstränge, sondern bleibt auch den Themen Schuld und Sehnsucht nach Erlösung treu. – Die Kraft der Filme Iñárritus fehlt „Auf brennender Erde“ aber, denn zu blass bleiben die Figuren, zu brav wird die Geschichte trotz komplexem Konzept zu Ende erzählt.

Mit einem brennenden Wohnwagen in der wüstenartigen Landschaft New Mexicos, einer Frau in einer Stadt an der verregneten nördlichen Pazifikküste der USA - gemeint ist wohl Seattle, auch wenn in Portland gedreht wurde - und einem Mann, der mit seiner etwa zwölfjährigen Tochter in Mexiko lebt, sich rasch die drei Erzählebenen installiert. Dem in Brauntöne getauchten und lichtdurchfluteten Süden stellt Arriaga die von Grau und Blau dominierte kalte Küstenstadt gegenüber. Mit Klischees mag Kameramann Robert Elswit hier arbeiten, großartig fotografiert ist das dennoch. Zum Ausdruck kommt in den atmosphärisch konträren Milieus auch die Verlorenheit der Frau an der Pazifikküste und der Traum von der heilen Familie auf der anderen Seite.

Ein Film ohne Geheimnis

So brillant und dicht aber in den von Arriaga „nur“ geschriebenen Filmen wie Iñárritus „Amores Perros“ und „21 Grams“ sowie Tommy Lee Jones´ famosem Debüt “The Three Burials of Melquiades Estrada“ die Erzählstränge verschränkt wurden, so durchschaubar ist hier – wie auch schon in „Babel“ –, bald, wie die drei tausende Kilometer und über zehn Jahre voneinander getrennt spielenden Handlungsteile zusammengehören und worauf der Film hinausläuft.
Kein Geheimnis bewahrt sich dieser Film von diesem Zeitpunkt an, formuliert alles aus und entpuppt sich dabei zunehmend als nicht eben neue doppelte Familiengeschichte um Leidenschaft und Tod, Schuld und eine nach „Romeo-und-Julia“-Muster verbotene Jugendliebe. Kein Mehrwert ergibt sich aus der Verschachtelung, die drei Erzählebenen befruchten sich nicht gegenseitig, fügen sich nicht puzzleartig wie beispielsweise in „21 Grams“ zu mehreren Geschichten, sondern nur zu einer einzigen Geschichte, die man problemlos auch chronologisch erzählen hätte können.
Dennoch hätte „Auf brennender Erde“ auf der emotionalen Ebene als großes Melodram durchaus noch funktionieren können, doch Arriaga vertraut viel zu sehr auf seine einerseits artistische, andererseits auch sehr mechanisch-schematische Erzählstrategie, vergisst darüber aber innerhalb der einzelnen Erzählstränge zwingend zu erzählen und Figuren zu entwickeln, deren Schicksal packt.

Emotionen bleiben Behauptung

Ohne Leidenschaft spult Arriaga teilnahmslos sein Programm herunter und die SchauspielerInnen passen sich in ihrem Spiel der zwar handwerklich sauberen, aber auch emotionslosen Inszenierung an. Da mag sich Charlize Theron als Leiterin eines Edelrestaurants noch so grausam ritzen, ihre Partner am Fließband wechseln und von Selbstmordgedanken gequält auf einer Klippe über dem Pazifik stehen, der Zuschauer glaubt ihr ihre Verlorenheit nicht, wird von ihrer Zerrissenheit nicht gepackt. Nur Behauptung, aber nie wirklich spürbar wird auch die Leidenschaft zwischen Nick (Joaquim de Almeida) und Gina (Kim Basinger), die beide mit anderen Partnern verheiratet sind. Einzig Jennifer Lawrence, die inzwischen mit „Winter´s Bone“ zum Star aufstieg, bringt wirklich Gefühle in diesen so kalten und kalkulierten Film.
Das Potential, das in Arriagas Drehbuch liegt, ist nicht zu übersehen, doch leider wird es nicht ausgeschöpft. Kein Thema ist dem Film das Aufeinandertreffen von Mexikanern und Amerikanern und die multikulturelle außereheliche Affäre, ohne Funktion bleibt die Ansiedlung der Handlung in der mexikanisch-amerikanischen Grenzregion. Und auch die zentralen Themen Schuld und Sühne werden nicht verdichtet, sondern die Handlung wird letztlich zu einem Rührstück heruntergebrochen, an dessen Ende hollywoodgerecht eine Erlösung stehen muss.