Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Walter Gasperi · 02. Jän 2010 · Film

Aktuell in den Filmclubs (4.1. - 10.1. 2010)

Antichrist: Am Beginn steht eine in brillantem Schwarzweiß gefilmte Sexszene, unterlegt mit Händels Arie „Lascia ch’io pianga“. So schön, dass es schon fast kitschig ist, ist dieser Auftakt, gleichzeitig schreckt Lars von Trier aber auch nicht vor einem pornographischen Bild zurück und buchstabiert die Schöpfung rückwärts, wenn aus dem Geschlechtsverkehr nicht Leben, sondern der Tod eines Kindes entspringt. Namenlos bleibt das Paar, nur als „Er“ und „Sie“ wird es in den Credits geführt und ganz auf diese beiden von Willem Dafoe und vor allem Charlotte Gainsbourg mit kaum zu überbietendem körperlichen Einsatz und Mut zur Selbstentäußerung gespielten Figuren konzentriert sich Lars von Trier. Der Tod des Sohnes stürzt die Frau in tiefe Depression, aus der sie der Mann, der Psychologe ist, zu befreien versucht. Doch statt Heilung entwickelt sich in den Kapiteln „Trauer“, „Schmerz“, „Verzweiflung“ und „Die vier Bettler“ ein immer beklemmenderer und brutalerer Geschlechterkampf. Die Rationalität des Mannes trifft da auf die Emotionalität der Frau, ein Miteinander ist in der Extremsituation nicht möglich. Wie am Beginn vor Pornographie schreckt Lars von Trier hier nicht vor brutalsten Horrorbildern zurück, wenn er zeigt, wie Gainsbourg Dafoes Penis mit einem Holzpflock zertrümmert und sich später selbst die Klitoris abschneidet.
Schwer zu ertragen ist dieser Film, aber sicherlich nicht so einfach, wie manche meinen, als frauenfeindliches Machwerk abzutun - und ganz sicherlich nicht leicht zu vergessen. Dazu ist die Intensität und Konzentriertheit der Inszenierung sowie die inhaltliche Vielschichtigkeit viel zu groß. Mögen kann man „Antichrist“ kaum, aber wie kein zweiter der letzten Jahre wird er sich ins Gedächtnis des Zuschauers einbrennen und ihn über Tage und Wochen nicht loslassen.  
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Do, 7.1., 20 Uhr; Sa, 9.1., 22 Uhr
TaSKino Feldkirch im Kino Namenlos: Fr, 5.2. – Di, 9.2.


Tannöd: Aus dem Off hört man eine Frau eine Litanei mit der sich wiederholenden Bitte „Erlöse sie, oh Herr!“ beten, wolkenverhangen ist der Himmel, Schneereste liegen noch auf der in kalte Blau- und Grüntöne getauchten Landschaft, dahinter hebt sich schwarz wie eine Wand ein Wald ab, durch den zwei Frauen ziehen. Plötzlich werden sie von einer gespenstischen Figur erschreckt, die ihnen aber nicht den Weg zum Tannödhof weisen kann. Sie kommen an einem Wegkreuz vorbei und landen schließlich bei dem gesuchten Hof, wo sie unfreundlich aufgenommen werden. Marie soll hier als Magd arbeiten und ihre ältere Schwester Traudl, lässt sie zurück, obwohl beide merken, dass dies kein guter Ort ist. Bald darauf sieht man eine Spitzhacke aufblitzen, ansatzweise Leichen liegen und ein Junge verstört durch das Dorf rennen.
Alle Register eines Mystery-Thrillers zieht Bettina Oberli in dieser Eröffnungsszene ihrer Verfilmung von Andrea Maria Schenkels mehrfach preisgekröntem Bestseller. In Nachfolge von Schenkel verlegt auch die Schweizer Regisseurin den realen Mordfall, der sich 1922 auf dem oberbayerischen Hof Hinterkaifeck ereignete, in die 50erer Jahre, führt aber gegenüber Schenkels loser Aneinanderreihung von Aussagen der Opfer, von Zeugen und des Täters als Identifikationsfigur die Altenpflegerin Kathi (Julia Jentsch) ein, die zwei Jahre nach dem sechsfachen Mord anlässlich des Todes ihrer Mutter wieder in das vom Verbrechen immer noch gezeichnete Dorf zurückkehrt.
Nicht um die Frage nach dem Täter geht es, und Kathi wird nicht als Detektivin aktiv. Aber in den Erzählungen verschiedener Dorfbewohner entwickelt sich in dieser düsteren Parabel ein immer dichteres Netz des dörflichen Wegschauens, der Rohheit, der Feindschaften und eines lebensfeindlichen, nur Drohbotschaften verbreitenden Katholizismus.
Takino Schaan: Do, 7.1., 20 Uhr; Sa, 9.1. – Mo, 11.1. – jeweils 18 Uhr


Kapitalismus – Eine Liebesgeschichte: Nach der amerikanischen Waffenlobby in „Bowling for Columbine“, George W. Bush in „Fahrenheit 9/11“ und dem amerikanischen Gesundheitssystem in „Sicko“ hat sich Michael Moore passend zur Wirtschaftskrise den Kapitalismus vorgenommen. Der Titel ist dabei natürlich pure Ironie, denn wie nicht anders zu erwarten, rechnet Michael Moore mit dem amerikanischen Wirtschaftssystem polemisch und mit gewohnter Schwarzweißmalerei ab. Mit einem Sperrfeuer an Infos in kurzen Szenen und Interviews von den verheerenden Auswirkungen des Kapitalismus auf die amerikanische Mittel- und Unterschicht, sowie den kriminellen Verflechtungen von Banken mit der Politik erschlägt Moore den Zuschauer aber mehr als tiefere Einblicke zu vermitteln. Trotz der erschreckenden Fakten verfällt Moore dabei nicht in Trübsinn, sondern legt seinen Film als Mutmacher an und fordert das Volk zur Eigeninitiative auf, setzt dabei aber in eigenartiger Weise, ganz so als ob es sich dabei um vergleichbare Kategorien handle, dem für Moore negativ konnotierten Wirtschaftsbegriff „Kapitalismus“ den positiv besetzten politischen Begriff „Demokratie“ gegenüber.
Wenig bleibt folglich von dieser zweistündigen Mooreschen „Kapitalismus“-Lektion, da der Film von Szene zu Szene dahinplätschert, aber vom Sarkasmus und der Prägnanz, die beispielsweise „Bowling for Columbine“ so packend machten, hier nichts zu finden ist.
TaSKino Feldkirch im Kino Namenlos: Fr, 8.1. – Di, 12.1.
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Do, 18.2., 20 Uhr; Sa, 22.2., 22 Uhr