Aktuell in den Filmclubs (11.1. - 17.1. 2010)
El nido vacio: Mitte Fünfzig sind Leonardo und Martha. Rund zwei Jahrzehnte lang stand die Erziehung ihrer drei Kinder im Mittelpunkt ihres Lebens, doch jetzt ist auch die jüngste Tochter Julia ausgeflogen, hat sich mit ihrem Mann nicht gerade in der Nachbarschaft, sondern rund 10000 km entfernt von Buenos Aires in Israel nieder gelassen. Allein sind Leonardo und Martha somit wieder wie am Anfang ihrer Beziehung und müssen diese nun wieder ganz neu auf die Reihe bringen.
Der 35-jährige Argentinier Daniel Burman, der schon mit „El abrazo partido“ und „Derecho de familia“ sich mit familiären Beziehungen auseinandersetzte, widmet sich in „El nido vacio“ verspielt und leicht, aber auch warmherzig und mit viel Mitgefühl für seine von Oscar Martinez und Almodóvar-Muse Cecilia Roth großartig gespielten Protagonisten dem so genannten „Leere-Nest-Syndrom“. Während sich die Frau wieder dem einst wegen der Kindererziehung abgebrochenen Soziologiestudium zuwendet – oder geht es ihr vielleicht um das ausgelassene Studentenleben mit Partys und Avancen von männlichen Kollegen – entwickelt sich bei ihrem Mann, einem Autor und Dramaturgen, eine Schreibblockade und er erlebt oder erträumt sich zumindest eine Affäre mit einer jungen Zahnärztin. – Was da Realität und was Wunschtraum ist, ist bald nicht mehr zu unterscheiden. Das ist aber auch nicht wichtig, denn in der gelösten Szenenfolge, unterlegt mit jazziger Musik und teils mit hautnah geführter, unruhiger Kamera gefilmt wird viel von der Aufgekratztheit und Unsicherheit Leonardos vermittelt. Schön hält Burman die Balance zwischen Komödie und Drama und lässt das Paar von der anfänglichen Entfremdung doch wieder zu einer Einheit finden, bei der man sich nicht nur emotions- und beziehungslos nebeneinander treiben lässt wie auf dem Salzwasser des Toten Meers, weniger den Erinnerungen nachhängt, noch sich vor der Zukunft fürchtet, sondern wieder gemeinsam das Hier und Jetzt zu genießen lernt.
Kino Madlen, Heerbrugg: Mo, 11.1., 20.15 Uhr
Takino Schaan: Do, 14.1., 20 Uhr; Fr, 15.1. – Mo, 18.1. – jeweils 18 Uhr
Das weiße Band: Die Leinwand ist noch schwarz, als die alte Stimme des Lehrers mit der Erzählung beginnt. Wie sich das Schwarz langsam aufhellt und sich ein Bild einstellt, so wird der Film am Ende mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs wieder langsam in Schwarz abtauchen. Dazwischen liegt das Jahr vom Sommer 1913 bis zum Sommer 1914, und nur einmal wird der Film kurz mit dem damals noch jungen Lehrer das protestantische Dorf im Norden Deutschland verlassen.
Der Einstieg auf der Bildebene erfolgt mit einer für Michael Haneke fast schon typischen schockierenden Szene, wird doch schon in der ersten Einstellung mit aller Drastik der Sturz eines Pferdes gezeigt. Was auf den ersten Blick, wie ein Unfall aussieht, wird sich bei genauerer Betrachtung als Anschlag erweisen und weitere heimtückische Taten wie die Misshandlung eines behinderten Kindes oder die Brandstiftung einer Scheune werden folgen.
Die Taten zeigt Michael Haneke nicht, durchleuchtet vielmehr in seinem in Farbe gedrehten, aber dann am Computer zu Schwarzweiß umgearbeiteten Drama das Dorfgefüge, die strengen Abhängigkeitsverhältnisse und die autoritäre Erziehung. Keine Namen bekommen da die Erwachsenen, sondern bleiben auf ihre Funktionen wie „Arzt“, „Pastor“, „Verwalter“ und „Gutsherr“ reduziert und einzige positive Figur bleibt der Lehrer, der freilich im Dorf ein Außenseiter ist.
Nicht emotionalisierend, sondern kühl, mit dem distanzierten analytischen Blick eines Verhaltensforscher erzählt Haneke, verzichtet dabei wie gewohnt auf Filmmusik aus dem Off. Durch die sehr runde und jede Nuance genau treffende Erzählweise – wie eine Verfilmung eines Romans aus der Zeit, von der erzählt wird, wirkt „Das weiße Band“ und nicht wie die Adaption eines originalen Drehbuchs aus dem 21. Jahrhundert – und überragende (Kinder-) Darsteller entwickelt „Das weiße Band“ nicht nur eine Intensität und eine suggestive Spannung, der man sich nicht entziehen kann, sondern macht auch – ohne es offen zu thematisieren – sichtbar, wie durch diese repressive Gesellschaft in den Kindern schon der Keim für Aggression und Gewalt gezüchtet wird, der sich 20 Jahre später im Faschismus entladen wird.
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Mi, 13.1. + Do, 14.1. - jeweils 20 Uhr
Nordwand: 1936 erklärte Adolf Hitler die Besteigung der Eiger-Nordwand zur nationalen Angelegenheit und versprach den Erstbesteigern eine Olympische Goldmedaille. Zwei Seilschaften stiegen bald darauf in die Wand ein: die unpolitischen Bayern Andi Kurz und Toni Hinterstoisser sowie zwei nationalsozialistisch gesinnte Österreicher. Schnell kamen beide Seilschaften zunächst voran, doch gefährlicher als das Gelände sind bei dieser Wand bekanntermaßen die plötzlichen Wetterumschwünge.
Frei vom faschistischen Subtext, den die klassischen deutschen Bergfilme der 30er Jahren über den heroischen Kampf von kernigen Kerlen gegen mythisch aufgeladene Berge kennzeichneten, inszeniert Philipp Stölzl ein packendes Drama, das den Zuschauer mit perfekter Tonkulisse und hautnah geführter Kamera mitten in die Wand versetzt. Das Vorgeplänkel in Berlin und Bayern kommt zwar recht hölzern daher, doch wenn die beiden Seilschaften mal in der Wand sind, kann man sich der dichten Atmosphäre von „Nordwand“ nicht mehr entziehen. Im quasidokumentarischen Gestus erinnern diese Kletterszenen an Kevin McDonalds „Sturz ins Leere“ und Stölzl folgt auch inhaltlich den historischen Fakten. So pathetisch dieser Film vor allem zum Ende hin auch werden und so überzogen auch das Schlussbild sein mag, packend und mitreißend ist das doch – und gerade im Spiel mit den Emotionen und großen Bildern eindrücklich. – Was macht es da schon aus, wenn die Liebesgeschichte völlig fiktiv ist.
Takino Schaan: Fr, 15.1. + Di, 19.1. – jeweils 14.30 Uhr