Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Walter Gasperi · 30. Jän 2020 · Film

Aktuell in den Filmclubs (31.1. - 6.2. 2020)

Im Rahmen der LeinwandLounge wird diese Woche in der Remise Bludenz die turbulente französische Komödie "En liberté - Lieber Antoine als gar keinen Ärger" gezeigt. Beim Filmforum Bregenz steht dagegen unter anderem Lynne Ramsays verstörender "We Need to Talk About Kevin" auf dem Programm.

En liberté - Lieber Antoine als gar keinen Ärger: In den Gutenacht-Geschichten, die die Polizistenwitwe Yvonne (Adèle Haenel) ihrem Sohn Theo erzählt, ist ihr vor zwei Jahren im Einsatz verstorbener Mann Jean (Vincent Elbaz) ein Superpolizist. Auch öffentlich wird das Ansehen Jeans hochgehalten, doch Yvonne muss entsetzt feststellen, dass ihr Mann korrupt war und den unschuldigen Antoine (Pio Marmaï) für mehrere Jahre ins Gefängnis brachte. Als Antoine weniger resozialisiert als vielmehr sehr gewalttätig aus der Haft entlassen wird, möchte Yvonne das ihm zugefügte Unrecht wieder gut machen, indem sie ihm heimlich hilft, wieder Fuß in der Gesellschaft zu fassen.
Ziemlich bitter ist diese Komödie im Grunde im Blick auf die verlorenen und lädierten Figuren, doch das hohe Erzähltempo und Pierre Salvadoris Einfallsreichtum täuschen über diese ernste Grundierung hinweg. Lustvoll und temporeich mischt der 55-jährige Franzose Romantik, makabre Szenen und schräge Krimikomödie. Zentrum und Herz des Films sind aber die wunderbar harmonierenden und mit sichtlichem Vergnügen aufspielenden Darsteller.
LeinwandLounge in der Remise Bludenz: Mi 5.2., 19 Uhr

We Need to Talk About Kevin: Schon mit der ersten Einstellung, in der sich ein halbdurchsichtiger Vorhang vor einem offenen Fenster aufbauscht, wird Spannung aufgebaut. Erst am Ende wird dieses Bild in einen Kontext gestellt werden. So isoliert wie dieser Auftakt bleiben auch die folgenden Bilder von einem Tomatenfest in Spanien. Wenn Eva aus diesem (Alp)Traum erwacht, neben sich jede Menge Tabletten, sieht man nicht nur, sondern spürt auch, wie fertig diese von Tilda Swinton famos gespielte etwa 50-Jährige ist.
Ganz aus deren Perspektive erzählt die Schottin Lynne Ramsay in ihrem dritten Spielfilm. Mit ihren Augen nimmt man die Welt wahr, in ihren Strom der Erinnerungen wird man hineingezogen. Man muss sich diesem irritierenden Beginn aussetzen, muss weitere zunächst nicht entschlüsselbare Bilder akzeptieren.
Die fragmentarischen Szenen korrespondieren einerseits mit dem psychischen Zustand der Protagonistin, andererseits hält Ramsay mit dieser Erzählstrategie die Spannung hoch, denn der Zuschauer will die Geheimnisse lüften und mehr Informationen, mit denen er die Puzzleteile zu einem Bild zusammensetzen kann. Eine Nacherzählung der Handlung, würde dem Film diesen Effekt rauben.
Rund 40 Minuten dauert es, bis sich aus den meisterhaft ineinander geschnittenen Bilderfetzen, die einzig durch die Person Evas zusammengehalten werden, eine chronologische Geschichte herausschält. Retrospektiv und stark elliptisch wird dann eine Familiengeschichte über rund 18 Jahre erzählt. Ganz auf das Familiäre bleibt der Film beschränkt, sodass die Schlusswendung umso heftiger einfährt.
Ramsay gibt keine Antworten, wieso es dazu kam. Nicht nur Eva, sondern auch der Zuschauer wird mit einem „Warum?“ entlassen.
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Mi 5.2., 20 Uhr


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