Uraufführung des Stückes „Stromberger oder Bilder von allem“ im Vorarlberger Landestheater (Foto: Anja Köhler)
Walter Gasperi · 29. Okt 2020 · Film

Aktuell in den Filmclubs (30.10. - 5.11. 2020)

Im Takino Schaan wird der betörend schöne Spielfilm "Notre-Dame du Nil" gezeigt, in dem Atiq Rahimi von sich steigernden Spannungen zwischen Hutus und Tutsis in einem katholischen Mädcheninternat im Ruanda der 1970er Jahre erzählt. Spektakuläre Action wird dagegen beim Filmforum Bregenz mit Christopher Nolans "Tenet" geboten.

Notre-Dame du Nil: Eine Idylle beschwört der Afghane Atiq Rahimi in seiner 1973 in Ruanda spielenden Verfilmung des von autobiographischen Erfahrungen geprägten Romans der ruandischen Schriftstellerin Scholastique Mukasonga am Beginn. In leuchtendes Grün sind die Dschungelbilder, in warmes Braun die Szenen im abgelegenen katholischen Mädcheninternat getaucht. "Die Unschuld" ist dieses erste Kapitel auch überschrieben, reines Spiel ist eine Kissenschlacht, doch schon hier werden Spannungen durch die koloniale Geschichte spürbar.  Nur französisch dürfen so die Mädchen sprechen und in der Schule wird nur europäische, aber nicht afrikanische Geschichte gelehrt. Der christliche Glaube trifft hier auf alte Mythen, die von den Mädchen teilweise im Geheimen erzählt werden und an die sie ein Franzose oder Belgier erinnert, auf dessen Plantage sich die Grabstätte einer Tutsi-Königin befindet.
Schleichend spitzen sich auch die Spannungen im Internat zu, als einige Hutu-Mädchen beginnen Hass gegen die Tutsis schüren, ihre Mitschülerinnen verleumden und mit dem erfundenen Bericht von einem Überfall eine Militarisierung dieser abgeschiedenen Welt einleiten.
Trotz der dramatischen Ereignisse erzählt Rahimi ruhig und in betörend schönen Bildern. So bestechend das aber auch gefilmt ist, so bleibt der Zuschauer doch zu sehr auf Distanz, als dass echte Spannung aufkommen könnte. Einprägsame bildmächtige Szenen wie ein Tanz der ganz in Weiß gekleideten Schülerinnen auf einem nächtlichen Volleyball-Feld bei Regen sorgen aber dann doch wieder dafür, dass "Notre-Dame du Nil" haften bleibt.
Skino Schaan:
So 1.11., 18 Uhr

 

Tenet: Ein Agent soll die Welt vor den Plänen eines russischen Oligarchen retten. – "Versuchen sie es nicht zu verstehen – fühlen sie es" sagt eine Wissenschaftlerin zum namenlos bleibenden Protagonisten (John David Washington) angesichts einer Kugel, die nicht aus der Pistole in einen Felsblock fliegt, sondern umgekehrt vom Felsblock in die Pistole zurück. – Diesen Satz, der auch den Trailer zu "Tenet" beendet, kann man auch als Aufforderung an das Publikum lesen, denn mehr auf Immersion als auf Verstehen zielt Christopher Nolans elfter Spielfilm ab.
Spektakuläre Action bietet schon die Auftaktszene mit einem terroristischen Anschlag auf die vollbesetzte Oper von Kiew. Dynamisch geht es weiter über einen Frachter im Nordatlantik zu einem Waffenhändler in Mumbai, in dessen Haus der Protagonist mit seinem Helfer Neil (Robert Pattinson) nur mittels umgekehrtem Bungee-Jumping vordringen kann.
Gleichzeitig wird das Actionspektakel aber auch mit der komplexen philosophischen Thematik der Möglichkeit der Umdrehung der Zeit aufgeladen. Wenn dabei etwa ab der Mitte des Films mehrere Zeitebenen ineinanderfließen und Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu verschmelzen scheinen, werden die Actionszenen wie eine gleichzeitig vorwärts- und rückwärtslaufende Autoverfolgungsjagd noch aufregender.
So spannend aber die Gedanken über die Zeit, die sich durch Nolans gesamtes Werk ziehen, auch sind, so verwirrend wird dieser Actionthriller auch mit zunehmender Dauer. Blass bleiben letztlich auch die Figuren, weil den Schauspielern – wie oft bei diesem Regisseur - kein Raum und keine Zeit gelassen wird, um sie mit Emotionen aufzuladen. Und auch die Dialoge klingen teilweise papieren. – Ein echtes filmisches Feuerwerk wird aber zweifelsohne geboten.
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Do 5.11., 20 Uhr

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