Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Walter Gasperi · 02. Jän 2011 · Film

Aktuell in den Filmclubs (3.1. - 9.1. 2011)

Während sich Gérard Depardieu in „Mammuth“ auf eine Reise begibt, die in seine eigene Vergangenheit führt, zeichnet Lars Kraume in „Die kommenden Tage“ ein düster-beklemmendes Bild der unmittelbaren Zukunft.

Mammuth: Weil er nach der Pensionierung aufgrund fehlender Arbeitsnachweise keine Pension erhalten soll, macht Serge seine Münch-Mammut, Baujahr 1972 wieder flott, um seine früheren Arbeitgeber abzuklappern. Nach diesem Motorrad nennen alle diesen Berg von einem Mann nur „Mammuth“.
Befreit schüttelt er am letzten Arbeitstag im Schlachthaus nach Ablegen des Haarnetzes sein langes grau-blondes Haar, doch in der Rente weiß er nicht allzu viel mit sich anzufangen: Puzzeln langweilt auf die Dauer ebenso wie die an der Wohnung vorbeifahrenden Autos zu zählen. Gar nicht ungelegen kommt ihm so die Odyssee durch Frankreich, auf der er zwar kaum mehr einen seiner ehemaligen Arbeitgeber antrifft, dafür aber gerade wie bei einem Puzzle die Teile seines Lebens neu ordnen und zu neuem Lebensmut finden kann.
Wie bei Gustave de Kervern und Benoît Delépine nicht anders zu erwarten, reiht sich hier eine ziemlich schräge Begegnung an die nächste. Zwingenden dramaturgischen Aufbau gibt es dabei so wenig wie in „Louise Hires a Contract Killer“, in dem das Regieduo zuletzt mit den Wirtschaftsbossen von heute gnadenlos abrechnete. Locker reihen sie Szenen aneinander, erzählen wie Aki Kaurismäki in langen distanzierten Einstellungen lakonisch und scheinbar teilnahmslos. Doch unter der herben Oberfläche und hinter dem Schmuddel-Look der Bilder, mit dem sich Kervern/Delépine in Opposition zum Hochglanz-Kino stellen, wird eine große Empathie und Zärtlichkeit für die Unterprivilegierten sichtbar. Es ist nicht zuletzt diese Ambivalenz zwischen Tristesse und Verzweiflung auf der einen Seite und den Schönheiten des Lebens und dem Glauben an die Würde des Menschen auf der anderen, die diesem ruppigen schwarzhumorigen Film seinen Reiz verleiht.
TaSKino Feldkirch im Kino Namenlos: Mo, 3.1., 19.30 Uhr; Di, 4.1., ca. 21.30 Uhr; Mi, 5.1., 19.30 Uhr; Do, 6.1., ca. 21.30 Uhr


Die kommenden Tage: Im verschneiten Gebirge überquert eine Frau mit Kleinkind eine mit Mauer und Soldaten gesicherte Grenze. Chaos herrscht im restlichen Europa, mit dem Grenzwall wolle man die afrikanischen Migranten fernhalten, erklärt Laura im Voive-over. Von dieser 2020 angesiedelten Szene aus blickt Lars Kraume auf die davor liegenden acht Jahre zurück. In die Familiengeschichte Lauras und ihrer Schwester Cecilia verpackt er dabei die dramatischen gesellschaftlichen Umbrüche: Zunächst rufen neue Kriege ums Öl im Mittleren Osten in Mitteleuropa Demonstrationen hervor, bald radikalisiert sich der Widerstand, schließen sich Cecilia und ihr Freund Konstantin den Terroristen an, während Laura mit Hans von einem bürgerlichen Glück träumt, das aber jäh zerplatzt.
Gewaltig ist Kraumes Entwurf und zweifellos gelingen ihm starke Bilder, um einen Eindruck von dem aus den Fugen geraten Europa zu vermitteln. Das Problem von „Die kommenden Tage“ ist aber das überfrachtete Drehbuch: Zu viel wird hier eben hinein gepresst, zu simpel die Muster des RAF-Terrorismus der 1970er Jahre auf die 2010er Jahre übertragen, aber nichts differenzierter entwickelt und verdichtet, sondern Szene an Szene gereiht. So bleibt es beim großen Entwurf, beim Gerüst ohne Fleisch und Blut und einem Film, der ganz im Stil von klassischem Produzentenkino mehr auf vordergründige Handlung, Star-Power und attraktive Kulissen als auf geduldige Vertiefung und packende Personenzeichnung setzt.
Takino Schaan: Fr, 7.1. – Di, 11.1. – jeweils 20 Uhr
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Mi, 26.1., 20 Uhr; Fr, 28.1., 22 Uhr