Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Walter Gasperi · 28. Mär 2019 · Film

Aktuell in den Filmclubs (29.3. - 4.4. 2019)

Am Spielboden Dornbirn geht diese Woche die heurige pro mente-Filmreihe zu psychischen Krankheiten unter anderem mit Richard Glatzers und Wash Westmorelands Alzheimer-Drama „Still Alice“ zu Ende. Ebenfalls am Spielboden kann man auch die starke lettische Coming-of-Age-Geschichte „Es esmu seit – Mellow Mud“ entdecken.

Es esmu seit - Mellow Mud: Um nicht ins Waisenhaus zu kommen, verheimlichen die 17-jährige Raya und ihr kleinerer Bruder Robis den Tod ihrer Großmutter und leben weiter in ihrem abgeschiedenen abbruchreifen Haus in der lettischen Provinz.
Lakonisch, spröde und karg, aber sehr stilsicher erzählt Renärs Vimba in seinem Spielfilmdebüt von einem Coming-of-Age in tristen Verhältnissen, vom Traum von einem besseren Leben, von einem Teenager, der auf sich gestellt ist und früh schon die Rolle einer Erwachsenen übernehmen muss.
Vimba walzt Szenen nicht breit aus und bauscht sie nicht auf, sondern hält sie knapp, erzählt nüchtern und selbstverständlich, elliptisch, fast fragmentarisch in präzisen Bildern, die auch mit ihrer kalten Stimmung die Stimmungslage der Protagonistin eindrücklich vermitteln. Gesprochen wird hier nur wenig, die Situation scheint den Betroffenen im wahrsten Sinne des Wortes die Stimme verschlagen zu haben. Diese Wortlosigkeit verstärkt ebenso wie der sehr reduzierte und pointierte Musikeinsatz die triste und bedrückende Stimmung und das Gefühl von Chancenlosigkeit und der ständigen Notwendigkeit eines Kampfes um das Glück.
Getragen wird dieses starke Drama aber von einer großartigen Elina Vaska in der Hauptrolle. Immer wieder rückt Vimba in seinem Debüt, das im Blick auf Menschen am Rande der Gesellschaft und seiner spröden Form auch an die Filme der Dardennes erinnert, in Großaufnahme ihr ausdrucksstarkes Gesicht ins Bild. Nicht viel muss der Regisseur hier tun, Vaskas Präsenz, ihre Blicke und Gesten reichen, um den Zuschauer ihre Gefühle, ihren verzweifelter Kampf um ein besseres Leben und ihren Schmerz über die Trennung von der Mutter, die nach England emigriert ist, Tochter und Sohn im Stich gelassen hat und den Teenager auch nun zurückweist, intensiv erfahren zu lassen.
Spielboden Dornbirn: Sa 30.3., 19.30 Uhr

Still Alice: Beim Joggen kommt die Linguistin Alice Howland (Julianne Moore) an der Uni vorbei und weiß plötzlich nicht mehr, wo sie ist. Die Welt um sie verschwimmt förmlich, nur ihre eigene Person erfasst die Kamera scharf, ihr ganzes Umfeld aber ist unscharf. – Das ist der vielleicht einzige auffällige und originelle inszenatorische Einfall in diesem Film, der freilich haften bleibt, weil er eindringlich visuell zu vermitteln vermag, wie Alice den Bezug zur Welt verliert, wie die Erkrankung an Alzheimer sie isoliert.
Dabei ist sie erst 50, feierte gerade noch Geburtstag, als ihr plötzlich das eine oder andere Wort nicht mehr einfällt und sie nachts immer wieder aufwacht. So kontaktiert sie schließlich einen Neurologen, der nach längeren Untersuchungen früh einsetzenden Alzheimer diagnostiziert.
Bewegend schildern Richard Glatzer und Wash Westmoreland den sukzessiven Fortschritt der Krankheit. Ganz auf die Protagonistin konzentriert sich das Regie-Duo. Wie Julianne Moore diese Alice spielt, ist dann auch das Ereignis des Films und lässt über die biedere Inszenierung zumindest teilweise hinwegsehen. Mit Blick, Mimik und Gestik vermittelt sie eindringlich, wie Alices Verunsicherung in erschütternde Gewissheit übergeht, wie sie gegen die Krankheit ankämpft und doch zunehmend zerfällt.
In dieser engen Handlungsführung liegt freilich auch das Problem dieses Films, der trotz des allzu extensiven Einsatzes von Streicher- und Klaviermusik nie in Rührseligkeit abgleitet. Kein Leben jenseits der Krankheit gestehen Glatzer/Westmoreland Alice zu, jede Szene und jeder Dialog kreist um dieses Thema.
Spielboden Dornbirn: Mi 3.4., 19.30 Uhr