Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Walter Gasperi · 27. Jun 2010 · Film

Aktuell in den Filmclubs (28.6. - 4.7. 2010)

Breath Made Visible – Anna Halprin: Konventionell aufgebaut ist Ruedi Gerbers Dokumentarfilm über die 1920 geborene amerikanische Tänzerin Anna Halprin zwar, wunderbar rund fließt diese Nachzeichnung eines ereignisreichen Lebens aber dahin.
Dies mag auch an der Profession und Leidenschaft der Porträtierten liegen, ist Tanz, der immer auch mit Bewegung zu tun hat, für das Medium Film doch eine ungleich dankbarere Kunstform als beispielsweise Literatur, Musik oder Malerei. Loben muss man Gerber aber dafür, wie sorgfältig und einfühlsam er Interviews mit Halprin, ihrer Familie und Wegbegleitern, eine Tanzperformance von 2002, in der die Porträtierte selbst ihr Leben tänzerisch Revue passieren lässt, Fotos aus der Jugendzeit und Ausschnitte von Perfomances aus verschiedenen Jahrzehnten zu einem Film verwebt, der nicht so sehr biographische Daten abhakt als vielmehr ein Lebensbild zeichnet und eindringlich die Faszination Halprins für den Tanz, der für sie das Leben ist, vermittelt.
In der Fokussierung auf Halprins tänzerisches Engagement und der weitgehenden Aussparung ihres Privatlebens macht Gerber ganz selbstverständlich und beiläufig auch künstlerische Entwicklungen sichtbar, die vor allem in den 60er Jahren mit einer gemischtrassigen Tanzgruppe oder einem tänzerischen Anti-Vietnam-Engagement untrennbar mit der gesellschaftlichen Situation verknüpft waren.
Takino Schaan: Mo, 28.6., 18.30 Uhr


Heinrich Kieber - Datendieb: In die internationalen Schlagzeilen geriet der Liechtensteiner Heinrich Kieber, als er 2008 an mehrere Nationen gegen entsprechende Gegenleistung Daten von Steuersündern verriet. Ausgehend von diesen TV-Meldungen zeichnen Sebastian Frommelt und Sigvard Wohlwend Kiebers Leben nach. Nach der Trennung seines Liechtensteiner Vaters und seiner spanischen Mutter wuchs er in den 70er Jahren im Kinderheim auf, setzte sich schon mit 16 mit einem Moped nach Barcelona ab, wo er über seine Tante in einer Eliteschule kam, an der er sich als Millionärssohn ausgab. Zurück in der Heimat nahm er einen Job bei der Swiss-Air an, reiste dann mit einem gestohlenen Jeep nach Australien. Dort kassierte er für diesen Jeep mehrfach Versicherungssummen, bis er aufflog. Er floh nach Barcelona, spielte wiederum den Millionär und verkaufte eine gemietete Wohnung, landete in den frühen 90er Jahren aber wieder in Liechtenstein, war zunächst arbeitslos und bekam schließlich eine Stelle bei der LTG, der Liechtensteinischen Treuhandgesellschaft, für die er sensible Daten von ausländischen Kunden digitalisieren musste. Dies ermöglichte Kieber schließlich sogar den Fürst unter Druck zu setzen…
Wie ein atemloser packender Krimi liest sich die Geschichte Kiebers und Frommelt/Wohlwend gelingt es in ihrem 52-minütigen Dokumentarfilm den Lebensweg Kiebers mit Interviews, wenig Archivmaterial und viel Off-Kommentar ebenso spannend nachzuzeichnen. Knapp und prägnant ist das inszeniert, ohne Schnörkel und Nebengeschichten, hervorragend auf das Wesentliche reduziert. Klar ist so die Erzähllinie und die Kompaktheit verleiht „Heinrich Kieber – Datendieb“ seine Durchschlagskraft. Da wird nicht einfach verurteilt, sondern das Porträt eines - wie auch von den Interviewten immer wieder betont wird – vielschichtigen und hochintelligenten, vielfach unterschätzten Mannes gezeichnet, der keine Skrupel kennt, aber nicht nur aus Geldgier gehandelt hat. Gleichzeitig wird aber auch die schier grenzenlose Naivität und Gutgläubigkeit der liechtensteinischen Behörden aufgedeckt.
TaKino Schaan: Di, 29.6. + Do, 1.7. – jeweils 18.30 Uhr


Thank You for Smoking: Als Lobbyist der Tabakindustrie muss Nick Naylor für seine Branche immer wieder die heißen Kartoffeln aus dem Feuer holen, muss mit seiner Rhetorik alle überzeugen, dass kein Zusammenhang zwischen Tabakgenuss und Lungenkrebs besteht oder bei einer TV-Talk-Show mit einem an Lungenkrebs erkrankten 15-Jährigen dem Publikum klar machen, dass ja nur die Tabakgegner diesem Teenager den Tod, die Tabakindustrie ihm dagegen Genesung wünscht. – Und wenn mit Worten nichts mehr geht, geht es mit Geld: Der an Lungenkrebs erkrankte Marlboro-Man wird mit einem Geldkoffer zum Schweigen gebracht und gegen ein entsprechendes Sümmchen setzt sich ein Hollywood-Agent auch dafür ein, dass die von ihm vertretenen Stars in Filmen wieder rauchen.
Jason Reitman („Juno“, „Up in the Air“) zeigt in seiner politisch wunderbar unkorrekten Satire trocken, wie – ganz im Sinne der griechischen Sophisten – mittels Reden die schwächere Sache zur stärkeren gemacht wird: Wahrheit zählt nicht, gefragt ist „moralische Flexibilität“. Ohne Schnörkel und inszenatorische Finessen deckt Reitman in diesem hinreißenden Debüt in rasanter Szenenfolge den Zynismus sowohl der Tabakindustrie als auch ihrer Gegner auf und rechnet nebenbei mit Hollywood und der Boulevardpresse ab. Die – angeführt von einem brillanten Aaron Eckhart als aalglatter Lobbyist - bis in die Nebenrollen exzellente Besetzung und spitzzüngige Dialoge sorgen dabei für gleichermaßen böse wie intelligente Unterhaltung.
Spielboden Dornbirn: Do, 1.7., 22 Uhr