Aktuell in den Filmclubs (21.6. - 27.6. 2010)
The Ghost Writer: Ursprünglich hat Roman Polanski geplant Robert Harris´ Roman „Pompeji“ zu verfilmen. Als dieses Projekt aber an zu hohen Produktionskosten scheiterte, bot ihm der britische Bestsellerautor als Alternative seinen Roman „Ghost“ an. Im Zentrum steht dabei ein Schriftsteller, der die Memoiren des englischen Premierministers, mit dem kaum verschlüsselt auf Tony Blair angespielt wird, schreiben soll. Bei seinen Recherchen stößt der Protagonist bald auf Ungereimtheiten im Leben des Politikers und wird zunehmend selbst bedroht.
Polanski hält sich bei seiner Verfilmung ziemlich genau an die Vorlage. Beibehalten wurde mit Ausnahme des Beginns die subjektive Perspektive des namenlos bleibenden Ghostwriters. Dennoch werden auch Kenner des Romans dank der schnörkellosen und stets vorwärts drängenden Inszenierung, die vom treibenden Soundtrack Alexandre Desplats, der teilweise an die Hitchcock-Scores von Bernard Herrmann erinnert, vorzüglich unterstützt wird, spannend unterhalten. Und trotz der Adaption einer fremden Vorlage finden sich quasi unterirdische Verbindungen zu anderen Filmen Polanskis: Die Villa am Meer mag mit ihrer Fensterfront zwar den Blick auf das Meer freigeben und doch sind die Figuren in dieser Betonarchitektur gefangen und wie in „Rosemaries Baby“, „Der Mieter“ oder „Der Pianist“ wird das Netz um den Protagonisten immer enger und die Beklemmung immer größer.
Kino Madlen, Heerbrugg: Mo, 21.6., 20.15 Uhr
Orlacs Hände: Einem Konzertpianisten, der bei einem Unfall beide Hände verloren hat, werden die Hände eines hingerichteten Mörders angenäht. Dies bleibt freilich nicht folgenlos, denn der Pianist wird nun von Panikattacken gequält und glaubt selbst morden zu müssen. Drohbriefe verstärken seine Ängste und bald wird er auch noch eines Mordes verdächtigt.
Robert Wiene, der 1919 mit „Das Cabinet des Dr. Caligari“ den Klassiker des expressionistischen Films geschaffen hatte, gelang mit dieser Verfilmung eines Romans von Maurice Renard fünf Jahre später ein Meisterwerk des psychologischen Thrillers. Wie in „Caligari“ setzt sich Wiene, unterstützt von einem großartigen Conrad Veidt in der Hauptrolle, mit den menschlichen Ambivalenzen, dem Verbrecher, der sich potentiell hinter dem anständigen Bürger verbirgt, den fließenden Grenzen von Gut und Böse, auseinander. Klassische Kriminalfilmmotive werden dabei kombiniert mit Elementen der noch jungen Wissenschaft der Psychologie. Dazu kommt ein Spiel mit Licht und Schatten, mit Hell und Dunkel, durch das die düstere Welt Orlacs und seine Angstvisionen nach außen gekehrt und visualisiert werden.
Bei der Vorführung am Spielboden Dornbirn wird Peter Madsen mit einem Teil seiner CIA-Gruppe wiederum live zu diesem Klassiker des österreichischen Stummfilms improvisieren.
Spielboden Dornbirn: Do, 24.6., 20.30 Uhr
Die Kraniche ziehen: Michail Kalatasows vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs spielendes Melodram gehört zu den Klassikern des sowjetischen Films – und der Filmgeschichte insgesamt. Die künstlerischen Freiheiten, die Nikita Chruschtschow mit der „Tauwetter“-Periode im Zuge der Entstalinisierung auf dem 20. Parteitag der KPdSU (1956) ermöglichte, sind nicht zu übersehen. Kalatasow zeigt den Zweiten Weltkrieg nicht als heldenhaften „großen vaterländischen Krieg“, sondern konzentriert sich auf das Leid des Individuums, konkret auf die Trauer einer jungen Frau, die ihren Geliebten im Krieg verliert.
Als bahnbrechend gilt die herausragende Kameraarbeit von Sergej Urussewski, die mit raffinierten Schwenks und kühnen Kamerafahrten arbeitet. Für die Musik zeichnet bei diesem 1958 in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichneten Meisterwerk der Exil-Pole Mieczyslaw Weinberg verantwortlich, dessen Oper „Die Passagierin“ bei den heurigen Bregenzer Festspielen ihre szenische Uraufführung erlebt.
Die Vorführung von Andrzej Munks filmischer Vorlage zu Weinbergs Oper zeigt das Filmforum im Rahmen der Filmreihe „Passagiere zwischen Vergangenheit und Gegenwart“ am Mittwoch, den 23.6. um 20 Uhr. Weitere Filme dieser Reihe sind am Donnerstag, 24.6., 20 Uhr „Das Ende unserer Welt“, am Samstag, 26.6. um 22 Uhr Istvan Szabos „Apa – Vater“ und am Sonntag, 27.6. um 10 Uhr Zbenek Brynychs „Transport aus dem Paradies“.
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Fr, 25.6., 22 Uhr