Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Walter Gasperi · 31. Okt 2009 · Film

Aktuell in den Filmclubs (26.10. - 2.11. 2009)

Kleine Verbrechen: Wie dem Reiseprospekt entnommen sieht die kleine griechische Insel aus, die der Schauplatz von Christos Georgious Kriminalkomödie ist. Ausgiebig rückt die Kamera in langen Schwenks und Totalen die Schönheiten dieser Insel dann auch immer wieder ins Bild, arbeitet so offensichtlich mit dem Klischee, dass man sich in die Idylle schon wieder verlieben kann. Nicht allzu viel zu tun hat hier der junge Polizist Leonidas. Mal jagt er mit dem Moped einem Verkehrssünder hinterher, mal ermahnt er Nudisten. Doch dann gibt es einen Toten und auch die junge Fernsehmoderatorin Angeliki, die von der Insel stammt, kehrt zurück. Bringt der Tote Leonidas beruflich auf Touren und lässt ihn alle möglichen Mordgespinste durchspielen, so bringt Angeliki sein Herz in Bewegung.
 Kein großer Film ist „Kleine Verbrechen“, weder filmsprachlich noch inhaltlich irgendwie herausragend, aber doch durchwegs sympathisch. Denn ganz sanft macht Georgious in dieser liebenswürdigen und sehr menschlichen Sommerkomödie auch Risse in der Idylle sichtbar, wenn er das Dorfleben karikiert, Geldgier sichtbar macht und dem Ausverkauf der Natur eine Absage erteilt. Nie penetrant, sondern charmant und beiläufig wird da auf mehreren Ebenen auch dem Traum von Ruhm und der Emigration von der Insel die Bedeutung von Heimat und Familie gegenüber gestellt.
                                                                                                                                                                                                                          Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Mi, 28.10., 20 Uhr + Fr, 30.10., 22 Uhr


Lilya 4-ever:
Zu Rammsteins hämmerndem "Mein Herz brennt" taumelt die Handkamera über den Asphalt, folgt einer jungen schwankenden Frau mit zerschlagenem Gesicht durch die Straßen. - Sie steigt auf das Geländer einer Autobahnbrücke. - Wird sie springen?
Unglaublich direkt ist dieser Einstieg, unmöglich sich ihm zu entziehen, mehr noch als die Bilder zieht die Musik den Zuschauer unmittelbar ins Geschehen hinein. An ein Ende ist die Geschichte gekommen, bevor der Film begonnen hat. In einer Rückblende erzählt der Schwede Lukas Moodysson in der Folge die Geschichte der 16-jährigen Lilya, die in der ehemaligen Sowjetunion in katastrophalen sozialen und familiären Verhältnissen aufwächst und schließlich in einem Job in Schweden ihre große Chance sieht.
Vom "Feelgood-Gefühl" seines Erstlings "Fucking Amal" und des nachfolgenden "Zusammen" ist in diesem dritten Film Moodyssons nichts mehr zu spüren. Jede Hoffnung, jedes Glück ist dieser Leidensgeschichte eines russischen Teenagers ausgetrieben. Nah an der Protagonistin ist die Kamera und greift immer wieder mit schnellen Zooms mit unerhörter Direktheit und elementarer Wucht auf Lilya zu, um so ihr Innerstes nach Außen zu kehren. Ungemein packend macht dieser inszenatorische Furor den Film am Beginn und großartig ist auch das Spiel der jungen Hauptdarstellerin. Doch so erschütternd die Geschichte ist, so plakativ ist auch ihre Inszenierung, wenn Lilya jede nur erdenkliche persönliche Katastrophe aufgebürdet wird, und so klischeehaft bleibt die Figurenzeichnung. – Mehr pittoresker Sozialkitsch als differenzierter Sozialrealismus ist so das Resultat.
Takino Schaan:
Do, 29.10., 20 Uhr; Sa, 31.10. und Mo, 2.11., jeweils 18 Uhr


New York, I Love You: Nach dem bunten Strauß von Beziehungsgeschichten aus der Seine-Metropole in „Paris, je t´aime“ nun das Gleiche vor dem Hintergrund des Big Apple. Wieder führten keine lokalen Regisseure Regie, sondern vorwiegend Europäer und Asiaten, die – passend zum „Melting Pot“-New York – vielfach selbst zwischen den Kulturen stehen wie die Inderin Mira Nair oder der Deutschtürke Fatih Akin.
Anders als im „Paris“-Film sind hier die Episoden aber nicht durch Kapitelüberschriften klar voneinander getrennt, sondern vielmehr zumindest ansatzweise miteinander verbunden. Nicht jede Episode ist in gleichem Maße gelungen, hinreißend ist aber jedenfalls die den Film eröffnende Geschichte um zwei Taschendiebe, die sich gegenseitig auszutricksen versuchen, voller großartiger Twists die Episode um einen jungen Mann, der die Tochter eines Bekannten zum Schulabschlussball führt, und von der Melancholie des Alterns lebt Joshua Martons Episode über ein altes Ehepaar, das zum Vergnügungspark von Coney Island und ans Meer mehr schlurft als spaziert.
So wird in diesem Film mehr noch als New York als kultureller Melting Pot, das Leben, die Sehnsüchte und die Vielfalt menschlicher Beziehungen gefeiert und die Klaviatur der Gefühle von Witz bis Drama gekonnt durchgespielt. Da gibt es glänzende Dialoge und mit unübersehbarem Vergnügen sind die Schauspieler bei der Sache. Markante Episoden – und das sind vor allem die, die mit einer starken witzigen Pointe arbeiten – stehen neben weniger einprägsamen. Ein ungetrübtes, schnelles, wenn auch nicht besonders nachhaltig wirkendes Vergnügen ist dieser Film aber allemal.
Kino Madlen, Heerbrugg:
Sa, 31.10., 17.15 Uhr; Mo, 2.11., 20.15 Uhr