„Kaffee und Zucker?“ Dokumentartheater im TAK in Liechtenstein © Pablo Hassmann
Walter Gasperi · 24. Sep 2020 · Film

Aktuell in den Filmclubs (25.9. - 1.10. 2020)

Passend zur "Black Lives Matter"-Bewegung zeigt der Spielboden Dornbirn diese Woche den US-Spielfilm "Queen & Slim". Bei der LeinwandLounge in der Remise Bludenz steht dagegen die bittersüße amerikanisch-chinesische Tragikomödie "The Farewell" auf dem Programm.

Queen & Slim: Nachdem zwei junge Afroamerikaner einen weißen Polizisten in Notwehr erschossen haben, fliehen sie quer durch die USA, da ihnen vor Gericht keine Gerechtigkeit wiederfahren würde. Stets müssen sie auf dieser Reise auf der Hut sein, nie ist klar, wer hinter ihnen steht und wer sie verraten wird. Hochspannende Szenen entwickelt Melina Matsoukas immer wieder und zeigt auch, wie die beiden Flüchtenden durch die mediale Berichterstattung zu Identifikationsfiguren und Helden der afroamerikanischen Community werden, den Widerstand gegen den Rassismus und die Diskriminierung befeuern.
Die Erzählweise tendiert insgesamt zwar zu einem recht simplen "und dann"-Modus, aber großartig fängt Kameramann Tat Radcliffe die weite amerikanische Landschaft ein. Wie Matsoukas diese Bilder mit viel afroamerikanischer Musik unterlegt, verrät auch ihre Herkunft vom Musikvideo, aber als Gegenbild zur historischen Reise der afrikanischen Sklaven von den Südstaaten in den Norden der USA funktionieren diese Szenen nur bedingt.
Nicht alles ist so gelungen, aber wie Matsoukas nicht nur Arthur Penns klassischen Gangsterfilm „Bonnie & Clyde“, auf den in „Queen & Slim“ auch explizit Bezug genommen wird, und die weibliche Selbstermächtigung in Ridley Scotts „Thelma and Louise“ aktualisiert und auf die „Black Lives Matter“ umschreibt, beeindruckt doch. Über weite Strecken kraftvolles und packendes Genrekino zu bieten und gleichzeitig entschlossen und aufrüttelnd den amerikanischen Rassismus und die Polizeiwillkür anzuprangern, ist zumal für eine Debütantin eine starke Leistung.
Spielboden Dornbirn: Fr 25.9., 19.30 Uhr

 

The Farewell: Als bei der in China lebenden Großmutter eine tödliche Krebserkrankung festgestellt wird, reist die über die USA und Japan verstreute Familie an, um Abschied zu nehmen. Der Betroffenen soll aber ihr Gesundheitszustand verschwiegen werden.
Persönliche Erfahrungen hat die 36-jährige Lulu Wang in ihrem zweiten Spielfilm verarbeitet. Ihr Alter Ego ist die Protagonistin Billi, die wie sie selbst in China geboren wurde, aber schon im Kindesalter mit ihrer Familie in die USA emigrierte.
Von Billi ausgehend fokussiert Wang ganz auf die Familie, deckt unterschiedliche kulturelle Vorstellungen, aber auch unterschiedliche Sichtweisen der Generationen auf. Aus Hochzeitsfilmen wie Mira Nairs „Monsoon Wedding“ kennt man solche Szenarien, ziemlich ungewöhnlich ist freilich, dass hier ein nahender Tod im Mittelpunkt steht.
Man spürt in jeder Szene, wie vertraut Wang mit den Situationen ist. Echt und unverfälscht wirkt ihr Blick, genau lotet sie die familiären Beziehungen aus und verankert die Handlung in einem präzise eingefangenen Milieu. Jeder Wertung enthält sie sich, erzählt voll Empathie für alle Figuren und feiner Humor sorgt dafür, dass diese bittersüße Tragikomödie trotz des ernsten Themas nie niederschmetternd wird, sondern immer Leichtigkeit bewahrt.
Auf große dramatische oder komödiantische Szenen kann Wang dabei getrost verzichten, ihr Film gewinnt aus der unaufgeregten, aber genauen Beobachtung der Beziehungen seine Kraft und seine zauberhafte Ausstrahlung. Zu verdanken ist dies freilich auch einem großartigen Ensemble aus noch unbekannten und unverbrauchten Schauspielern. Da sieht man eben nicht Stars, sondern glaubt realen Menschen zuzusehen und speziell der Rapperin Awkwafina und Shuzhen Zhao gelingt es Billi und der Großmutter Profil und Tiefe zu verleihen.
LeinwandLounge in der Remise Bludenz: Mi 30.9., 19 Uhr

Weitere Filmkritiken, Festivalberichte, DVD-Besprechungen und Regisseur-Porträts finden Sie auf meiner Website https://www.film-netz.com.