Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Walter Gasperi · 24. Jän 2019 · Film

Aktuell in den Filmclubs (25.1. - 31.1. 2019)

Im Rahmen des 14. Holocaust-Gedenktags in Liechtenstein wird im Takino Schaan unter anderem Claude Lanzmans Dokumentarfilm „Der Letzte der Ungerechten“ gezeigt. Am Spielboden Dornbirn steht dagegen der Dokumentarfilm „Die bauliche Maßnahme“ auf dem Programm, in dem Nikolaus Geyrhalter die Stimmung am Brenner während der Pläne zur Errichtung eines Grenzzauns im Frühjahr 2016 einfängt.

Die bauliche Maßnahme: Ausgangspunkt von Nikolaus Geyrhalters Dokumentarfilm sind die im Frühjahr 2016 entwickelten Pläne der österreichischen Regierung, die Brenner-Grenze durch einen 370 Meter langen Zaun zu sichern. Die plakativen medialen Berichte dazu fließen im Hintergrund immer wieder ein, doch Geyrhalter, der ausgehend von einer Pressekonferenz der Polizei zum Bau des Zauns mal weiter in die Region ausschweift, dann wieder zum Pass zurückkehrt, liefert einen vielschichtigen Gegenpol dazu, indem er sich auf die Bewohner der Region einlässt.
Während eine junge Mautkassierin nämlich ausländerfeindliche Klischees präsentiert, zeigt ein Polizist zunehmend Mitgefühl mit den Flüchtlingen. Und während ein Biobauer für Menschlichkeit plädiert und gegen populistische Politiker wettert, die Ängste vor dem Fremden schüren, werden diese Ängste bei der Wirtin einer Alm wieder spürbar. Gleichzeitig führen gleich neben dieser Alm aber gerade wieder senegalesische Facharbeiter Probebohrungen für den Brenner-Basis-Tunnel durch.
Beiläufig macht Geyrhalter nicht nur den Widerspruch zwischen dem ununterbrochen fließenden Transitverkehr und den Plänen für einen Basistunnel auf der einen Seite und den Plänen der Abschottung auf der anderen sichtbar, sondern lässt auch einen der Senegalesen darauf hinweisen, dass die Gründe der Flucht vielfach in der Ausbeutung des Heimatlandes durch westliche Konzerne liegen, und den Biobauern darauf hinweisen, dass in früheren Jahrhunderten Menschen aus Not auch aus Tirol geflohen sind.
Im unaufgeregten Fluss der Interviews zeichnet „Die bauliche Maßnahme“ so ein differenziertes Bild der Stimmung bei den Menschen. Auf Wertungen verzichtet Geyrhalter dabei und kommentiert die Aussagen nicht, dennoch ist seine Haltung stets spürbar.
Spielboden Dornbirn: Di, 29.1., 19.30 Uhr

Der Letzte der Ungerechten: 1985 legte Claude Lanzmann mit dem neuneinhalbstündigen „Shoah“ ein epochales Werk über den Holocaust vor. Im Zuge der Arbeit an diesem Dokumentarfilm hatte er auch während einer Woche elf Stunden lang in Rom den Wiener Rabbiner Benjamin Murmelstein interviewt. Dieser hatte als einziger der von den Nazis abwertend „Judenältesten“ genannten Mittelsmänner den Holocaust überlebt. Freiwillig begab sich Murmelstein nach dem Zweiten Weltkrieg in tschechische Haft, wurde aber nach 18 Monaten freigelassen, danach dennoch von jüdischer Seite angefeindet und der Kollaboration mit den Nazis bezichtigt.
In „Shoah“ brachte Lanzmann das Interview mit Murmelstein, der 1989 starb, nicht unter, da es den Film aus der Balance geworfen hätte. Jahrzehnte lagerte das Material im Holocaust Memorial Museum in Washington, bis sich Lanzmann entschloss, daraus einen weiteren Interviewfilm zu gestalten.
Im Gegensatz zu seinem bisherigen Werk setzt der 88-jährige Dokumentarfilmer auch erstmals Archivmaterial ein. Im Zentrum steht aber das Interview mit Murmelstein. Wie dieser sich als brillanter Erzähler erweist, so zeigt sich Lanzmann wie gewohnt als unerbittlicher und bohrender Interviewer. Mit einfachen Antworten lässt er sich nicht abspeisen, will Details und Jahreszahlen wissen. Murmelstein wiederum schildert mit seinem detaillierten Insiderwissen seine Beziehung zu Eichmann von 1938 in Wien, als er für den Nazi-Schergen Auswanderungspläne für die Juden erstellen musste, bis zu seiner Tätigkeit als „Judenältester“ in Theresienstadt.
So revidiert Lanzmann in diesem Dokumentarfilm, in dem freilich nur Murmelstein zu Wort kommt und seine Darstellung unwidersprochen stehen bleibt, nicht nur das Bild des umstrittenen Rabbiners, sondern regt in seinem kontroversen Blick auf Eichmann und auf die Theorie Hannah Arendts auch noch einmal an, Meinungen zum Holocaust zu prüfen und zu überdenken.
Takino Schaan: Do, 31.1., 18 Uhr