Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Walter Gasperi · 23. Dez 2021 · Film

Aktuell in den Filmclubs (24.12. - 30.12. 2021)

Das Kinotheater Madlen in Heerbrugg zeigt diese Woche den packenden Thriller "Black Box – Boîte noir". Am Spielboden Dornbirn steht dagegen unter anderem Wong Kar-wais frühes Meisterwerk "Fallen Angels" auf dem Programm.

Black Box – Boite noir

Ein Techniker der Flugsicherheit stößt bei der Suche nach der Ursache für einen Flugzeugabsturz auf Widersprüche und verbohrt sich zunehmend in den Fall.
Unübersehbar an Francis Ford Coppolas Meisterwerk "The Conversation" orientiert sich Yann Gozlan, wenn der Protagonist immer wieder das Band der Black Box abhört, Geräusche herausfiltern und auf kleinste Details achten will. Packend ist "Black Box" dabei, weil dieser Thriller das Publikum auch mit der detailreichen und genauen Schilderung dieser Arbeit ganz in die Perspektive des Technikers versetzt und es zunehmend verunsichert, weil die Grenzen zwischen Herauslesen von Informationen und Hineininterpretieren verschwimmen.
Leidet dieser Mathieu an Paranoia, wenn er verbrecherische Aktionen der Fluggesellschaft und Bestechung auszumachen glaubt, oder ist er damit einer beunruhigenden Wahrheit auf der Spur? Großartig spielt Pierre Niney diesen Techniker, der von seiner Obsession zunehmend zerfressen wird und zu zerbrechen droht.
Das Privatleben Mathieus baut Gozlan nur knapp ein, um auch einen emotionalen Konflikt aufbauen zu können, fokussiert aber davon abgesehen auf den Ermittlungen. Geradlinig und konventionell ist das im Grunde erzählt, entwickelt aber in dieser schnörkellosen und nüchternen Inszenierung große Spannung. Die Dominanz von Blau- und Grautönen sowie von Büroräumen und anderen öffentlichen Orten evoziert eine kalte und zunehmend beunruhigende Atmosphäre.
Gleichzeitig geht "Black Box" aber über reine Thrillerunterhaltung hinaus und wirft schließlich – dystopisch in die Zukunft blickend – Fragen nach technischen Entwicklungen auf, bei denen die Menschen zunehmend mächtigen Konzernen ausgeliefert scheinen. Eine Beunruhigung löst Gozlan damit aus, die über das Filmende nachwirkt und nachdenken lässt.

Kinotheater Madlen, Heerbrugg: Mo 27.12., 20.15


Fallen Angels

Nacht in Hongkong und nie wird es Tag werden – weißes Neonlicht und fahles Grün in den U-Bahnstationen und Bushaltestellen und auch in den Wohnungen oder Fastfoodbuden gibt es kein wärmeres Licht. Auch das Rot in den Bars verspricht keine glückliche Beziehung.  Keiner findet hier zum andern, Kommunikation ist nicht mehr möglich. Dialoge gibt es in diesem Film keine: Jeder bleibt für sich - miteinander können sie nicht reden: die Einsamkeit in der Großstadt.
Der junge Profikiller, seine Agentin/Partnerin, der junge stumme He Qiwu, der anderen Leuten seine Dienste aufzwingt – sie bleiben sprachlos, nur in teilnahmslosen inneren Monologen äußern sie sich. Glück gibt es in dieser Welt nicht und nicht einmal die Hoffnung darauf. Die Raumverzerrung durch Weitwinkelobjektiv verstärkt den pessimistischen Eindruck. Zwar erzählt Wong Kar-wai seine Geschichte linear, doch durch Zeitraffer, Zeitlupe, Schwarz-weiß-Bilder, lange Einstellungen im Wechsel mit hektischen Kamerabewegungen und Schnitten und durch eine brillante Musikmontage gewinnt sein Film eine fiebrige Intensität.
Ein Zeitbild, ein Stimmungsbild der Jugend der späten 1990er Jahre wird hier mehr geschaffen als eine Story. 
Anfang der 1960er Jahre gab es ähnliche Filme: sie hießen "Außer Atem" von Godard oder "Nackte Jugend" von Oshima, geändert hat sich allerdings die Grundeinstellung. Ein zentraler Satz bei Oshima lautete: "Das ganze Leben besteht nur aus Niederlagen". Bei Wong gibt es keine Niederlagen mehr, da es keinen Kampf mehr gibt. Verloren ist alles schon von Anfang an.

Spielboden, Dornbirn: Mi 29.12., 19.30

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