Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Gunnar Landsgesell · 24. Dez 2021 · Film

Matrix Resurrections

Nach bald 20 Jahren überrascht Lana Wachowski mit einem Sequel nach der Trilogie. Das bringt zwar kaum Neues, lässt aber das Gefühl von damals noch einmal mit einer Portion Ironie aufleben.

Es mutet eigenartig an, dass „Matrix Resurrections“ seinen Helden Neo (Keanu Reeves) als krisengebeutelten Fall für den Psychologen in die Kinos zurückbringt. Seit den über 20 Jahren, als „Matrix“ zu einem kulturellen Ereignis wurde, und auch seit seiner Fortsetzung im Jahr 2003 hat sich die Welt technisch weiterentwickelt (Stichwort A.I.) und damit wohl auch das damals mit großer Coolness problematisierte Verhältnis von Mensch und Maschine. In der doch überraschenden Fortschreibung des „Matrix“-Franchise hätte man nun also zumindest den Versuch erwartet, inhaltlich recht unbescheiden wieder ein Stück weit vorzupreschen. Tatsächlich groovte sich Regisseurin Lana Wachowski (ehemals Larry Wachowski, Schwester von Lilly, früher Andy Wachowski) auf der Nostalgieschiene ein und präsentiert Teil 4 als vertrauten Wiedergänger bekannter Missstände. Die Menschheit, die am Ende von „Matrix Revolutions“ quasi befreit war, stürzt wieder in quälende Zweifel über ihre platonische Schattenexistenz, während Neo nur widerwillig die rote Pille schluckt, um hinter den Kulissen noch einmal die Welt vor den Maschinen zu retten. Immer noch hängen im Maschinenraum menschliche Körper an Schläuchen, wo ihnen Energie abgezapft wird. Wir begegnen Keanu Reeves als einem sich suizidal durchs Leben schleppenden Mitfünfziger, der Tranquilizer offenbar ebenso braucht wie seinen Therapeuten. Damit weicht Wachowski – man könnte auch sagen: geschickt – dem Wettrennen mit anderen Superhelden-Formaten aus. Zwar lässt sie Neo zwischendurch auch weiterhin Gewehrkugeln in Zeitlupe mit magischen Händen umlenken, doch der Blues dieses Mannes bestimmt nun das Sein. Es braucht erst den alten Verbündeten Morpheus (Lawrence Fishburne wurde durch Yahya Abdul-Mateen ersetzt), um die Lebensgeister durch asiatische Kampfkünste zu reaktivieren.

Bedeutender Gesprächsbedarf

Das gilt nur bedingt für das Publikum. 2,5 Stunden Laufzeit sind dafür ein großzügig bemessener Zeitrahmen, in dem der Gesprächsbedarf der alten und neuen Figuren den eigenen Wissensdurst zuweilen etwas übertrifft. Doch „Matrix Resurrections“, was auf Deutsch „Auferstehungen“ bedeutet, hat sich bei allem visuellen Aufwand, der hier wieder in die dystopischen Schreckenskammern unserer wirklichen Welt investiert wurde, und den vielen selbstreferenziellen und selbstironischen Szenen letztlich der Botschaft der Liebe verschrieben. Eine Behauptung, die Lana Wachowski dadurch untermauert, dass sie die tragische Lovestory zwischen Neo und Trinity (Carrie-Ann Moss) noch einmal einer Prüfung unterzieht und die beiden vielleicht endgültig vereint. Hier eine neue Qualität hineinzubringen ist freilich fast ein Ding der Unmöglichkeit. Bereits im Original wurde der tote Neo – der „Auserwählte“ – von Trinity durch einen Kuss wieder zum Leben erweckt. Der revanchierte sich dann in Teil 2 und machte es ähnlich mit der toten Trinity. Bis zum scheinbar bitteren Ende wird man nun aber gar nicht getrieben. Trinity, die sich in „Matrix Resurrections“ als Mutter und Ehefrau in einem Cafe namens „Simulatte“ wiederfindet, erinnert sich auch so, wo ihr Platz in diesem Spiel eigentlich wäre. Zur Nostalgie gesellt sich die Melancholie, Gefühle sind auch in der Matrix Teil des Programms. Die grundsätzliche Frage, wozu man zwei Jahrzehnte später eine weitere Ausgabe von „Matrix“ braucht, ist zwar berechtigt, wird aber auch bei „Ghostbusters“ oder anderen Neuauflagen eher nicht gestellt. Die „Matrix“-Macher (Drehbuch: David Mitchell, Aleksandar Hemon) bringen sie durchaus gewitzt im Film selbst auf. Da sieht man Reeves zu Beginn als ausgebrannten Game-Programmierer, der mit seinem Team vom Chef einen neuen Auftrag erhält. „Our beloved parent company, Warner Bros.“, habe entschieden, der Trilogie ein Sequel folgen zu lassen. Freilich geht es im Film um ein neues Computerspiel, was durchaus zum Frame passt. Zumindest hier gibt es keinen Zweifel, dass die Verhältnisse einen trügen.