Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Walter Gasperi · 17. Mär 2009 · Film

Aktuell in den Filmclubs (23.3. - 29.3.2009)

Buddenbrooks: Glanzvoll ist der Beginn von Heinrich Breloers Verfilmung von Heinrich Manns „Jahrhundertroman“ über den Niedergang einer Lübecker Kaufmannsfamilie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Prunkvoll ist die Ausstattung, in warmen Braun- und Goldtönen wird beim Ball, mit dem der Film eröffnet wird, geschwelgt und Kamera und Schnitt sorgen für Dynamik. Kraftvoll vergehen so die ersten etwa 45 Minuten, doch beinhaltet dieser Auftakt im Kern auch schon die Ursache des Scheiterns. Denn statt episch zu erzählen und sich auf Figuren und Szenen einzulassen, kennzeichnen Kurzatmigkeit und dramatische Zuspitzung nicht nur den Beginn, sondern den ganzen Film. Was für eine Exposition durchaus passt, wirkt auf die Dauer lähmend, weil keine Szene vertieft und keiner Figur Raum gegeben wird, mehr Facetten zu entwickeln und dadurch zu packen. So reiht sich eine sorgfältig ausgestattete Szene an die nächste und alles fügt sich auch zu einer schlüssigen Geschichte, doch dramatischen Aufbau von Szene zu Szene bis zu einem großen Finale gibt es nicht. – Opulentes, aber auch lebloses und kraftloses Ausstattungskino, die allzu biedere und leidenschaftslose Illustration eines Romans ohne wirkliche Vertiefung einzelner Motive oder Momente.
Kino Madlen, Heerbrugg: Mo, 23.3., 20.15 Uhr


The Company: Der Titel gibt das Thema vor. Während in Ballettfilmen sonst immer eine Tänzerin im Mittelpunkt steht, blickt Robert Altman – dieser unübertroffene Meister des Ensemble-Films, der in „Nashville“ mit 24, in "Eine Hochzeit" mit 48 Hauptfiguren, mit kaum weniger in seinem fulminanten Episodenfilm „Short Cuts“, der Gesellschaftssatire „Gosford Park“ oder im unvergesslichen Abschiedswerk „A Prairie Home Companion“ arbeitete – auf eine Tanztruppe und bietet ihr Raum sich in Szene zu setzen. Die Handlung ist fast ganz zurückgenommen, keine Story, sondern das Ballett an sich, die artistische Bewegung der Körper und der Ausdruck von Gefühlen durch den Körper stehen im Zentrum. In schönem Rhythmus wechseln Tanzszenen mit Blicken in die Garderobe und Probenszenen, aber auch eine private Liebesgeschichte wird beiläufig eingearbeitet. – Brillant gefilmt ist dieser Tanzfilm mit seinen Perspektivenwechseln, wenn mal die Kamera aus dem Zuschauerraum, mal aus der Höhe, mal in Nahaufnahme auf die Füße und dann wieder aus der Totalen fasziniert und mit Feingefühl beobachtend auf die Tänzer blickt. Keine dramatisierenden Schnittkaskaden gibt es hier, sondern fließend ist der Rhythmus dieses Films, der nie verheimlicht, welche Belastungen und welch harte Arbeit dahinter stecken, bis die Perfektion entsteht, die das Chicagoer Joffrey Ballet hier bietet.
Takino Schaan: Mo, 23.3. und Di, 24.3., jeweils 18.00 Uhr


Les quatre cents coup: Francois Truffauts erster Film – und gleich schon ein großer und zusammen mit Godards „A bout de souffle“ und Chabrols „Le beau serge“ der Beginn einer neuen Epoche im französischen Kino, die auf das Weltkino ausstrahlte, genannt die „Nouvelle Vague“. Autobiographisch erzählt Truffaut von seiner Kindheit, oder eben entsprechend dem Titel von den 400 Streichen, die ein Mensch macht, ehe er vernünftig wird. Bedrückend ist für den 12-jährigen Antoine Doinel, mit dem der damals 14-jährige Jean-Pierre Léaud seine Karriere startete und den er bis 1978 in vier weiteren Filmen spielen wird, die familiäre und soziale Situation. Auch der Lehrer hat kein Verständnis und bald gerät der Junge auf die schiefe Bahn, landet in einer Besserungsanstalt, aus der er schließlich ans Meer flieht. – Dank der Empathie für seinen kleinen Protagonisten, die fast alle Filme Truffauts kennzeichnet, der Unverkrampftheit und des Engagements der Inszenierung sowie des fast dokumentarischen Blicks auf die Welt hat dieses schwarzweiße Meisterwerk trotz seines Alters von 50 Jahren nichts an Kraft, Eindringlichkeit und Poesie verloren.
Club Vaudeville, Lindau: Di, 24.3., 20 Uhr


Moro no Brasil: In seinem dokumentarischen Road-Movie bietet Aki Kaurismäkis Bruder Mika, der seit über 20 Jahren jeweils die Hälfte des Jahres in Rio de Janeiro lebt, auf einer Reise durch Brasilien Einblick in die Vielfalt und Vitalität der Musik des größten südamerikanischen Landes. Weniger Szene-Stars als vielmehr unbekannte Künstler interessierten ihn dabei, wobei laut der deutschen Fachzeitschrift "Filmdienst" in zahlreichen Konzertaufnahmen ein mitreißender Eindruck von der Allianz zwischen Auftretenden und Auditorium geboten werde. Allerdings kaschierten die stimmungsvollen Landschaftsaufnahmen auch die sozialen Nöte der immer noch unterprivilegierten Künstler.
Kammgarn Hard: Mi, 25.3., 20.30 Uhr


Entre les murs - Die Klasse: Nichts anderes als den Unterricht in einer multikulturellen Pariser Schulklasse schildert Laurent Cantet in seinem 2008 in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichneten Film. Der Gestus ist dokumentarisch, keine Geschichten jenseits des Unterrichts werden erzählt, keine Biographien gezeichnet. Was dabei aber nicht zuletzt dank des unglaublich frischen und natürlichen Spiels der Laien sichtbar wird, sind die Schwierigkeiten in der Interaktion zwischen Lehrer und SchülerInnen, die Schwierigkeit die richtige Balance zwischen Abgrenzung und Nähe zu wahren sowie die Reibungen und das explosive Potential, das sich im Aufeinandertreffen von Lehrern und SchülerInnen und in diesem Fall verschärft durch die höchst inhomogene Zusammensetzung der Klasse auch innerhalb der Schülergruppe entwickeln kann. – Ein in seiner scheinbaren Kunstlosigkeit kunstvoller, und dank seiner Konzentriertheit packender Film.
Filmforum Bregenz: Mi, 25.3., 20.00 Uhr, Fr, 27.3., 22 Uhr; Sa, 28.3., 22 Uhr
FKC Dornbirn: Do, 16.4., 19.30 Uhr; Fr, 17.4., 21.30 Uhr
Kino Madlen, Heerbrugg: Mo, 4.5., 20.15 Uhr


Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra: In fünf miteinander lose verknüpften Geschichten bietet der Italiener Matteo Garrone in seiner Verfilmung des zwischen Roman und Sachbuch oszillierenden Bestsellers von Roberto Saviano einen schonungslosen Einblick in die Machenschaften der neapolitanischen Camorra. Hautnah ist die Kamera an den Figuren, sodass man kaum einen Überblick gewinnt, aber mitten hinein versetzt ist in das Geschehen, in die Aktivitäten zweier Jugendlicher, die von einer Mafiakarriere träumen, in die Hausbesuche eines kleinen Handlangers, der Hinterbliebenen von getöteten oder inhaftierten Mafia-Mitgliedern eine Entschädigung zahlt oder die Verhandlungen eines Bosses, der mit Dumpingpreisen Aufträge zur (Gift)müllbeseitigung an sich zieht. – Dokumentarisch ist der Gestus, auf Erklärungen wird verzichtet, aber gerade in seiner Unmittelbarkeit entwickelt dieser 2008 mit dem Europäischen Filmpreis ausgezeichnete Film einen Sog und eine rohe Kraft, denen man sich nicht entziehen kann.
Cafe Tritsch, Egg: So, 29.3., 20.15 Uhr