„Kaffee und Zucker?“ Dokumentartheater im TAK in Liechtenstein © Pablo Hassmann
Walter Gasperi · 22. Okt 2020 · Film

Aktuell in den Filmclubs (23.10. - 29.10. 2020)

In der Kulturbühne Schruns wird im Rahmen einer Filmreihe anlässlich des Endes des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren unter anderem Max Färberböcks lesbischer Liebesfilm "Aimée und Jaguar" gezeigt. Beim FKC Dornbirn steht Marco Bellocchios wuchtiger Mafiafilm "Il Traditiore – Als Kronzeuge gegen die Cosa Nostra" auf dem Programm.

Aimée und Jaguar: Deutschland während des Nationalsozialismus - Viele, nicht nur deutsche Filme widmen sich diesem Thema, doch Max Färberböck erzählt in seiner Verfilmung von Erica Fischers Roman eine ganz neue Geschichte. Berlin in den letzten Kriegsjahren ist hier fast nur - aber doch unverzichtbarer - Hintergrund für eine "unmögliche" Liebesgeschichte.
Die mit dem Mutterkreuz ausgezeichnete Lilly Wust (Juliane Köhler) lernt in dieser wahren Geschichte über ihr Hausmädchen Ilse die Jüdin Felice (Maria Schrader), die unter falschem Namen bei der "Nationalzeitung" arbeitet, kennen. Schon von Felices erstem (anonymem) Liebesbrief ist Lilly erregt, doch auf einen Kuss auf den Mund reagiert sie empört. - Dennoch brechen die Gefühle durch und zwischen der unpolitischen Mitläuferin und biederen Hausfrau Lilly und der intelligenten, selbstbewussten und lebensgierigen Jüdin entwickelt sich eine leidenschaftliche Liebesbeziehung.
Die Schilderung des Hintergrunds mag - auch wenn die Kamera stilvoll in dunklen Farben schwelgt - wenig Atmosphäre erzeugen und die Kulissen mögen gestellt wirken, doch das Spiel der beiden Hauptdarstellerinnen macht dies mehr als wett. - Die Leidenschaft, die Gier nach Leben und Liebe ist in jeder Szene zwischen Juliane Köhler und Maria Schrader spürbar. Mit ihrer Ausstrahlung machen sie "Aimée und Jaguar" zu einem zutiefst bewegenden Film. 
Kulturbühne Schruns: Sa 24.10., 20 Uhr

 

Il Traditore – Als Kronzeuge gegen die Cosa Nostra: Marco Bellocchio zeichnet die Geschichte des Mafiosi Tommaso Buscetta nach, der Mitte der 1980er Jahre sein Schweigen brach und in den sogenannten Maxi-Prozessen als Kronzeuge gegen die sizilianische Mafia aussagte.
Über 20 Jahre, von 1980 bis zu Buscettas Tod im Jahr 2000, spannt Bellocchio den Bogen. Ungemein kraftvoll erzählt der 81-jährige Altmeister, entwickelt einerseits die dichtbepackte Handlung dynamisch nach vorne, streut andererseits immer wieder Rückblenden ein. Mit zahlreichen Inserts zu Ort und Zeit werden die Ereignisse historisch verankert, zur großen Oper steigert sich "Il Traditore" nicht nur, wenn die Urteilsverkündung vom Gefangenenchor aus Verdis „Nabucco“ begleitet wird.
Zusammengehalten wird dieser wuchtige Film aber durch den von Pierfrancesco Favino vielschichtig gespielten Tommaso Buscetta. Auch wenn dieser sich immer wieder als Ehrenmann bezeichnet, der nicht familiäre Probleme vor Gericht ansprechen will und dem die Familie über alles geht, wird er nicht verklärt.
Meisterhaft verknüpft Bellocchio das Porträt dieses Mafiosi, der eine enge Beziehung zu Richter Falcone entwickelte, mit den verbrecherischen Machenschaften der Mafia, die sich bis in höchste politische Kreise erstrecken, und dem Kampf der Justiz dagegen. Wie Bellocchio diese Fülle an genau recherchierten Fakten in seinem zweieinhalbstündigen Film unterbringt, nie die Übersicht verliert, sondern klar strukturiert erzählt, zeigt die Handschrift eines Meisters. Gleichzeitig geht dabei aber auch letztlich Fülle über Tiefgang, denn wenig Profil gewinnen abgesehen von Buscetta die Figuren und Hintergründe und Zusammenhänge bleiben für den mit den Ereignissen nicht Vertrauten vielfach unklar.
FKC Dornbirn im Cinema Dornbirn: Mi 28.10., 18 Uhr + Do 29.10., 19.30 Uhr