Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Walter Gasperi · 19. Aug 2021 · Film

Aktuell in den Filmclubs (20.8. - 26.8. 2021)

Beim Harder Open Air "Seanema - Kino am See" wird an diesem Wochenende unter anderem der österreichische Spielfilm "Fuchs im Bau" gezeigt. In der Feldkircher Villa Müller gibt es eine Vorführung von Nora Fingscheidts fulminantem Langfilmdebüt "Systemsprenger".

Fuchs im Bau: Inspiriert vom realen Gefängnislehrer Wolfgang Riebniger erzählt Arman T. Riahi in seinem beim heurigen Max Ophüls Festival mehrfach preisgekrönten zweiten Spielfilm von einem Lehrer, der eine erfahrene Kollegin beim Unterricht im Jugendgefängnis unterstützen und später ersetzen soll.
Große Dichte entwickelt der zu einem großen Teil im stillgelegten Bezirksgericht von Stockerau und dem angeschlossenen Gefängnis gedrehte Film durch die weitgehende Konzentration auf die Haftanstalt. In realistischer Schilderung evoziert Riahi durch die Dominanz von Grau- und Grüntönen sowie die engen Räume und Gänge eine beklemmende Stimmung. Eindringlich zeigt der iranischstämmige Österreicher dabei, wie die Lehrer, die mit ihren unkonventionellen Methoden bei der Gefängnisleitung anecken, bei den Jugendlichen Hoffnung und ein Gefühl von Freiheit wecken können. Unaufdringlich, aber überzeugend wird mit einem Trauma des Protagonisten, das ihn einengt und belastet, der Begriff der Freiheit aber auch auf eine philosophische Ebene transponiert.
Getragen wird das intensive Drama aber von einem großartigen Ensemble, bei dem erfahrene Schauspieler*innen wie Maria Hofstätter, Aleksandar Petrovic oder Andreas Lust perfekt mit den großartig gecasteten und unglaublich authentischen, vor allem migrantischen Jugendlichen zusammenspielen.
Seanema – Kino am See, Hard, Festwiese: So, 22.8., Einlass und Bewirtung ab 18.30 Uhr – Filmbeginn bei Einbruch der Dunkelheit

Systemsprenger: Schon mehrere Pflegemütter und Wohnheime hat die neunjährige Bernadette (Helena Zengel), die ihren Namen hasst und nur Benni genannt werden will, hinter sich, doch ins System lässt sie sich immer noch nicht einpassen. Nach außen entspricht sie mit ihren langen blonden Haaren zwar dem Klischee vom süßen, engelhaften Mädchen, doch immer wieder haut sie ab, prügelt sich dann auf den Straßen mit anderen Kindern, klaut in einem Geschäft eine Handtasche oder packt in der Schule den Kopf ihrer Sitznachbarin und schlägt ihn mehrmals auf den Tisch.
Einfach nicht zu bändigen ist dieses Mädchen, kann in seiner Wut auch einen Bobby Car mehrmals gegen eine Glastür schleudern, bis selbst das Sicherheitsglas bricht. Aber dann kann Benni auch wieder ganz ruhig und zärtlich sein.
Hautnah klebt die Kamera von Yunus Roy Imer an der von Helena Zengel sensationell gespielten Protagonistin. Mit wilden Handkamerabewegungen, dynamischem Schnitt und schriller Musik kehrt Nora Fingscheidt in ihrem Spielfilmdebüt die Wut und Aggression Bennis nach außen. Bildfetzen, die teilweise auf Farbkleckse reduziert sind, deuten den Einbruch traumatischer Erinnerungen an, die zu Bett nässen führen. Keine bewusst handelnde Person ist diese Neunjährige, sondern rastet im wahrsten Sinne des Wortes aus, ist mehr Opfer als Täterin.
Verständnis und tiefes Mitgefühl mit dem Mädchen, um das sich die Betreuer intensiv bemühen, es aber nicht therapieren können, weckt der Film. Eine frühkindliche Erfahrung wird einmal als Ursache für die Unkontrolliert und die Aggressionsausbrüche angeführt, davon abgesehen bleibt der Film aber ganz in der Gegenwart Bennis, folgt den Versuchen ihrer Therapierung, macht aber auch ihre grenzenlose Sehnsucht nach der Mutter (Lisa Hagmeister), die mit diesem Kind völlig überfordert ist, erfahrbar.
Kein Wohlfühlkino ist das, sondern ein schonungslos realistisches und intensives Porträt. So sehr Benni dabei aber auch im Mittelpunkt steht, so genau ist doch auch Fingscheidts Blick auf die beteiligten Personen. Man spürt die Herkunft der 36-jährigen Regisseurin vom Dokumentarfilm und die intensive Recherche, für die sie sich fünf Jahre Zeit ließ.
Villa Müller, Feldkirch: Fr 20.8., 20.30 Uhr

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