Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Gunnar Landsgesell · 20. Aug 2021 · Film

Promising Young Woman

Carey Mulligan ("Suffragette", "Mudbound", "Drive") als junge Frau, die nach sexuellen Übergriffen gegen ihre beste Freundin auf Rache - oder besser gesagt - Gerechtigkeit aus ist. Ein Film, der durch seine satirischen Qualitäten und lockere Erzählweise überrascht und dennoch eine messerscharfe Analyse zur #meetoo-Debatte liefert.

Eine junge Frau sitzt zusammengesunken in einer Bar und schon beginnen drei Männer ein paar Tische weiter zu feixen, wer von ihnen sie erfolgreich "abschleppen" wird. Leichte Beute also, doch in der ersten Regiearbeit der britischen Schauspielerin Emerald Fennell geht es in eine andere Richtung als zu erwarten wäre. Cassandra (Carey Mulligan), deren Name nicht zufällig aus der griechischen Mythologie an die tragische Seherin erinnert, der niemand glauben wollte, wird in "Promising Young Woman" vielmehr selbst zur Jägerin. Tagsüber arbeitet sie in einem Coffeeshop, am Abend mimt sie in Clubs die Alk-Leiche, um dann den überraschten Typen den Spaß zu verderben. Für jedes dieser "Dates" macht sie ein Stricherl in ihre Aufzeichnungen, so wie eine Kerbe in das Holz eines Gewehrkolbens. Die junge Frau, deren beste Freundin Nina nach einer Vergewaltigung Suizid begangen hat, hat das Medizinstudium abgebrochen und befindet sich seither auf einem Rachefeldzug. Emotional eingebunkert scheint sie keinen Halt mehr im Leben zu finden.

Seismographisch präzise

Das klingt nach einer ziemlich düsteren Geschichte, die allerdings als gelungener Mix einer knallbunten, an Pop-Formaten geschulten Satire und ästhetischen Thriller-Einsprengseln daherkommt. Die Kluft zwischen diesen scheinbar unbekümmerten Bildern und der thematisierten strukturellen männlichen Gewalt ist bemerkenswert. Selten wurde dieses Thema - trotz des ironisch-satirischen Charakters des Films - mit so einer seismographischen Präzision auf die Tonlagen unserer Gesellschaft bearbeitet. Sexismus, K.o.-Tropfen (Kim Nowak brach nach sechs Jahrzehnten ihr Schweigen über Tony Curtis), fehlendes Unrechtsbewusstsein sowie Einschüchterung - die Tools männlicher Übergriffe, wie sie seit #metoo auch öffentlich diskutiert werden, werden von Fennell, die auch das Drehbuch schrieb, auf eine irritierend spielerische Weise inszeniert. Anstatt den Fokus auf plumpe Gewalt zu legen wie in (female) revenge movies wird hier Platz geschaffen für die Frage, was das mit Frauen macht. Und wie Männer diesen im Moment der Decouvrierung begegnen. Dass dem Film eine realistische Härte fehlt und der oftmals traumwandlerische Ton (im Hintergrund begleitet oft leise Musik die Szenerien) fast ein wenig an Filme wie "Ghost World" erinnert, dürfte die Entscheidung erleichtert haben, den Film für fünf Oscars zu nominieren. Den Oscar für das Drehbuch hat Fennell auch erhalten. Dass der Film ohne moralische Schwere agiert und dennoch seine Wirkung erzielt, spricht jedenfalls für "Promising Young Woman". Insbesondere Carey Mulligan lässt sich in dieser Rolle neu entdecken, in der es ihr gelingt, die Dilemmata dieser Frau zu vereinen: Der Wille, Gerechtigkeit einzufordern, scheint von einem hartnäckigem Fatalismus gleichsam ausgehebelt zu werden. Vom Scheitern an der Gesellschaft, in der auch Frauen zum eigenen Vorteil ihre Augen verschließen, scheint so gesehen nur noch in Form einer Satire mit bitterböser Ironie möglich zu sein.