Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Walter Gasperi · 18. Apr 2010 · Film

Aktuell in den Filmclubs (19.4. - 25.4. 2010)

Once: Zufällig lernen sich auf den Straßen Dublins ein irischer Straßenmusikant und eine tschechische Migrantin kennen – und kommen sich ganz langsam näher.
Ganz dokumentarisch beginnt John Carneys „Once“. Aus der Distanz beobachtet die Kamera in langen Einstellungen einen Straßenmusikanten. Immer wieder verstellt ein Auto den Blick auf den Protagonisten. Aktiver muss die Kamera erst werden, als der Musikant einen Junkie, der ihn bestiehlt, verfolgt – doch auch hier bleibt der Blick distanziert und ebenso wenig später, wenn eine junge tschechische Migrantin, die als Blumenverkäuferin jobbt, den Musikanten nachts anspricht.
Durch die Musik kommen sich die beiden, die keinen Namen bekommen werden, sondern „Guy“ und „Girl“ bleiben werden, einander näher. Aus der Story heraus entwickeln sich die Gesangsszenen. Man singt nicht, weil die Gefühlslage wie im Musical einen gerade dazu drängt, sondern weil Singen zumindest ein Teilzeitjob oder die Leidenschaft der Protagonisten ist. Da gibt es kein Spektakel, keine rasanten Schnittfolgen, sondern nur die ruhige Performance. Nicht mit inszenatorischem Schnickschnack werden Gefühle aufgepeitscht, sondern sie müssen sich durch das Spiel der Protagonisten entwickeln. Dass dabei in den eigenen Songs die Erfahrungen, Verletzungen und Kränkungen verarbeitet werden, versteht sich von selbst. Melancholisch ist das, weil der Musikant immer noch nicht über die Trennung von seiner Freundin hinweg ist und weil die junge Frau nicht nur ein Kind hier in Irland bei sich hat, sondern in der tschechischen Heimat auch noch einen – wesentlich älteren - Mann.
So einfach die Geschichte ist, so einfach ist die Inszenierung. Und es ist gerade diese Einfachheit, das Improvisierte, das Quasi-Dokumentarische und die daraus resultierende Natürlichkeit und Echtheit die „Once“ seine bewegende Kraft verleihen und zu einem be- und verzauberndes Kleinod machen.
Club Vaudeville, Lindau: Di, 20.4., 20 Uhr


Un conte de Noel: Superb ist das Ensemble das Arnaud Desplechin bei diesem weihnachtlichen Familientreffen versammelt, raffiniert die Inszenierung – nur zeigen kann (und darf) man einen Film, der den Titel „Eine Weihnachtsgeschichte“ trägt im Grunde nur in der (Vor)Weihnachtszeit.
Wie Desplechin die ganze Bandbreite innerfamiliärer Gefühle aufblättert, wie er von einer Zweierkonstellation zur nächsten wechselt, mehr dahin mäandert und ein breites Bild zeichnet als stringent eine Handlung entwickelt, mit welcher Souveränität und erzählerischen Freiheit er spielerisch leicht vielfältigste filmsprachliche Mittel einsetzt, zeugt von unerhörter filmischer Meisterschaft.
In der federleichten, mit einer Jazzimprovisation vergleichbaren Inszenierung verlieren die Spannungen, die ein Familientreffen zu Tage fördern, alles Schwere. Wie dahingetupft wirkt das, sodass „Un conte de Noel“ nicht Härte, Verzweiflung und Bitterkeit ausstrahlt, sondern Melancholie und tiefes Mitgefühl mit den Figuren, die in diesem bitter-süßen und zutiefst wahrhaftigen Ensemble-Film alle mit sich selbst und den anderen zu kämpfen haben.
TaSKino Feldkirch im Kino Namenlos: Mi, 21.4., 19.30 Uhr; Do, 22.4., 19.30 Uhr


Der Freund: Wie ein kleines Kind behandelt die Mutter den rund 20-jährigen Emil (Philipp Graber). Nicht verwundern kann es da, dass er schüchtern und unbeholfen ist – und dabei schwärmt er doch so für die Pop-Sängerin Larissa (Emilie Welti alias Sophie Hunger), der er sehnsüchtig in einer Bar zuhört. Als sie ihn anspricht und fragt, ob er sich bei ihren Eltern als ihr Freund ausgeben will, versteht Emil die Welt zwar nicht mehr, geht aber zögernd darauf ein. Als er aber kurz darauf Larissa anrufen will, nimmt ihre Schwester Nora (Johanna Bantzer) ab, die ihm mitteilen muss, dass Larissa bei einem Unfall ums Leben gekommen ist. Nolens volens lässt sich Emil als vermeintlicher Freund in Larissas Familie hineinziehen, nimmt an den Vorbereitungen fürs Begräbnis teil und kommt dabei  Larissas Schwester Nora näher.
Schön evoziert Micha Lewinsky, nicht zuletzt durch melancholische Songs von Sophie Hunger, eine Stimmung der Einsamkeit und Verlorenheit. Trotz der Schwere des Themas strahlt „Der Freund“ aber Leichtigkeit aus, bewahrt das Gleichgewicht zwischen Trauer und Sehnsucht nach Lebensfreude, zwischen Tragik und Komik. Kein großer Film ist das, aber ein stilsicher inszenierter und glänzend gespielter. Geschickt wahrt Lewinsky auch die Balance bei der Figurenzeichnung, macht sich zwar über die Mama und Defizite anderer Figuren lustig, bleibt dabei aber immer sanft und mitfühlend. Überzeugend ist auch der dramaturgische Aufbau, nur mit dem Ende hat sich Lewinsky offensichtlich schwer getan und sich letztlich doch für einen hoffnungsvollen, aber aufgesetzten und unglaubwürdigen Schluss entschieden, statt den Film rund zehn Minuten früher traurigerer, aber überzeugender ausklingen zu lassen.
Spielboden Dornbirn: Mi, 21.4., 20.30 Uhr