Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Walter Gasperi · 13. Mai 2021 · Film

Aktuell in den Filmclubs (14.5. - 20.5. 2021)

Der Spielboden Dornbirn zeigt diese Woche den Dokumentarfilm "Schlingensief – In das Schweigen hineinschreien". Bei der Leinwandlounge in der Remise Bludenz steht dagegen das mitreißende, bittersüße Teenagerdrama "Milla Meets Moses – Babyteeth" auf dem Programm.

Schlingensief – In das Schweigen hineinschreien: Jenseits aller biederen Film- und Fernsehästhetik hat sich Christoph Schlingensief zunächst in seinen Filmen, dann auch in Theaterprojekten und öffentlichen Aktionen provokativ mit gesellschaftlichen Realitäten und immer wieder mit Deutschland auseinandergesetzt.
Bettina Böhler zeichnet in ihrem Dokumentarfilm allein mit Statements Schlingensiefs sowie Ausschnitten aus seinem umfangreichen Schaffen ein Porträt des 2010 an Krebs gestorbenen Künstlers. Eine wahre Herkulesarbeit muss es gewesen sein, die Fülle an Material zu sichten und durch die Montage zu einem ebenso dichten wie schlüssigen und unterhaltsamen zweistündigen Dokumentarfilm zu verdichten.
Auf Zeitinserts verzichtet Böhler, spannt aber mit dem Archivmaterial den Bogen von den ersten Amateurfilmen als Achtjähriger bis zu seinen Plänen für den Pavillon bei der Biennale in Venedig im Jahr 2011. Bewusst macht Böhler in der Fülle von Schlingensiefs Werk, aber auch durch seine Selbstaussagen seine unbändige Kreativität und seinen Arbeitswillen.
Sichtbar wird aber bei diesem Streifzug durch das künstlerische Leben aber auch, wie die politische und gesellschaftskritische Positionierung im Lauf der Jahre zunehmend an Gewicht gewann. Über das Porträt hinaus weitet sich "Schlingensief – In das Schweigen hineinschreien" damit auch zur allgemeinen Frage nach der Rolle des Künstlers in der Gesellschaft und zu einer Aufforderung diese das aktuelle Geschehen kommentierende und intervenierende Position zu verstärken.
Fast erschlagen kann einem dieser Dokumentarfilm freilich mit seinem immensen Tempo und vieles kann nur angerissen werden. Doch damit regt "Schlingensief" auch wieder an, sich mit diesem kontroversen und herausfordernden, aber auch herausragenden Künstler genauer zu beschäftigen, weckt vor allem aber Lust seine Filme neu oder wieder zu entdecken.
Spielboden Dornbirn: Sa 15.5., 17 Uhr

Milla Meets Moses - Babyteeth: Gegensätzlicher könnten die todkranke 16-jährige Milla und der sieben Jahre ältere Moses kaum sein. Sie trägt eine adrette Schuluniform, er dagegen wirkt verdreckt, ist tätowiert und hat sich den Kopf kahlgeschoren. Doch gerade, weil Moses so unbekümmert lebt, keinen fixen Job hat und aus der Wohnung wegen Mietrückstand rausgeflogen ist, beginnt die aus gutbürgerlichem Haus stammende Milla, deren überfürsorglichen Eltern gegen diese Beziehung sind, sich für Moses zu interessieren.
So bekannt die Geschichte klingt, so unkonventionell, frisch und lebensbejahend ist die Inszenierung. Von Anfang an baut Shannon Murphy mit der nah geführten und sich immer unruhig bewegenden Kamera von Andrew Commis sowie einem energischen Schnitt eine fiebrige Intensität auf, durch die die Lust nach Leben förmlich nach außen gekehrt wird. Unterstützt wird dies - zumal in der ersten Hälfte - entscheidend durch knallige Farben und kräftige Musik. Hier wird keine triste Krankheitsgeschichte erzählt, sondern mit Verve, Lust und frechem, schwarzem Humor das Leben und die Schönheit des Augenblicks gefeiert.
Dazu tragen auch die wunderbar natürlich und mit großer Leidenschaft agierenden Hauptdarstellerinnen bei. Eine Wucht ist Toby Wallace als Herumtreiber, der zunehmend tiefere Gefühle für Milla entwickelt, bewegend vermittelt Eliza Scanlen, wie sich Milla danach sehnt, das Leben auszukosten und die Krankheit so gut es geht verdrängt.
Indem Murphy permanent Gegensätze aufeinanderprallen lässt und beispielsweise sich hinter dem Insert "Ein wunderschöner Morgen" auch zutiefst Tragisches verstecken kann, stürzt sie den Zuschauer in diesem bittersüßen Teenagerdrama in ein Wechselbad der Gefühle, bei dem es einem das Herz zerreißen kann, das aber trotz allem die Einzigartigkeit und Kostbarkeit des Lebens feiert und einem mit jeder Szene ein leidenschaftliches "Carpe diem!" zuruft.
Leinwandlounge in der Remise Bludenz: Mi 19.5., 18 Uhr

Weitere Filmkritiken, Streamingtipps, DVD-Besprechungen und Regisseur-Porträts finden Sie auf meiner Website https://www.film-netz.com