Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Walter Gasperi · 13. Dez 2009 · Film

Aktuell in den Filmclubs (14.12. - 20.12. 2009)

La teta asustada: 70.000 Menschen, vor allem Indigene, kamen in den 1980er Jahren in Peru durch die maoistische Guerillabewegung „Sendero Luminoso“ aber auch durch die Gegenaktionen der Regierungstruppen ums Leben. Claudia Llosa erzählt am Beispiel der jungen Fausta, die aus einer Vergewaltigung geboren wurde, wie die Vergangenheit in die Gegenwart herein wirkt. Schwer traumatisiert ist sie durch die Geschichte ihrer Mutter, mit deren Tod das bei der heurigen Berlinale mit dem Goldenen Bären ausgezeichnete Drama beginnt. In der Volksmeinung hat Fausta die beklemmende Angst schon mit der Muttermilch aus der „teta asustada“, der verängstigten Brust, aufgenommen. Um einem Schicksal wie jenes ihrer Mutter zu entgehen, hat sie sich wie einst Frauen zu Zeiten des Terrors eine Kartoffel in die Vagina eingepflanzt. Durch den Tod der Mutter ist sie nun aber auf sich gestellt und muss lernen das Trauma zu bewältigen.
Leise, aber eindringlich und in bestechender Bildsprache erzählt die 32jährige Nichte des Schriftstellers Mario Vargas Llosa von den langen Nachwirkungen des Terrors und der Notwendigkeit, das Trauma zu überwinden, macht aber auch die große Kluft zwischen reicher Stadtbevölkerung und ausgebeuteten Indigenen, die in Elendsvierteln am Rand von Lima leben, sichtbar. Symbolreiche Bilder mischen sich dabei mit teils quasidokumentarischen Blicken auf Feste und das Alltagsleben.
Heerbrugg, Kino Madlen: Mo, 14.12., 20.15 Uhr
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Mi, 16.12., 20 Uhr; Fr, 18.12., 22 Uhr

Paris Texas: Endlos ist die Landschaft um das Monument Valley. Inmitten der rotbraunen Sandsteinformationen entdeckt die Kamera einen Mann in zerschlissener Kleidung, mit roter Baseballkappe und zerfurchtem Gesicht. In einer einsamen Raststätte wird er Eiswürfel zerbeißen und schlucken und bewusstlos zusammenbrechen. Eine Telefonnummer wird bei ihm gefunden und so kommt sein Bruder, diesen Travis, dessen Name schon aufs Reisen verweist, und von dem er vier Jahre lang nichts gehört hat, in dieser Einöde abholen. Von den Halbwüsten des Südwestens führt die Fahrt nach L.A., wo Travis sich langsam wieder seinem etwa sechsjährigen Sohn annähert und sich mit ihm schließlich auf die Suche nach seiner Ex-Frau macht.
Von der endlosen Weite geht der Film so in die größte Enge einer Peepshow-Kabine, von den Totalen zu den Großaufnahmen, um dann Travis wieder in die Weite zu entlassen,  und erzählt im Reisen von den Abständen zwischen Menschen und der Zeit, die nötig ist, diese Abstände zu überwinden. Im Grunde ist das die simpelste und älteste Geschichte der Welt, eine moderne Variante von Homers „Odyssee“, die Geschichte eines Mannes, den die Sehnsucht nach Verwirklichung der Utopie von „Heimat“ treibt. Von Wenders und seinem Team wird das aber mit einer Klarheit und Einfachheit erzählt, die „Paris Texas“ zu einem zeitlosen Meisterwerk machen. Da passt jeder Ton von Ry Cooders Gitarrenmusik, die zum Resonanzboden der Gefühle wird, jedes Bild von Robbie Müllers Kameraarbeit, die die Landschaften und Diners mit deutlichem Bezug zu den Bildern von Edward Hopper zu Spiegelbildern der Seele werden lassen. Keinen Makel weist das Drehbuch von Sam Shepard auf, und Harry Dean Stanton und Nastassja Kinski in den Hauptrollen laufen zu Höchstform auf. – Allein für ihr gedehntes und unendlich sehnsuchtsvolles „Oh Travis“ hätte die Kinski alle Auszeichnungen verdient.
“Kult-Kino“ im Kino Bludenz: Di, 15.12., 20 Uhr

Love Exposure: Sono Sions Film ist so überbordend an Ereignissen, Handlungswendungen und Einfallsreichtum, sodass trotz 237 Minuten Länge keine Minute Langeweile aufkommt. Im Mittelpunkt steht der junge Yu, dessen Vater nach dem frühen Tod der Mutter katholischer Priester wird. Weil Yu ihm Sünden beichten soll, aber sich an keine erinnern kann, beginnt er jungen Frauen unter den Rock zu fotografieren. Vom Vater wird er dafür bald verstoßen. Eine Wende bekommt Yus Leben, als er Yoko begegnet und sie – allerdings aufgrund einer verlorenen Wette als Gangsterbraut verkleidet – vor einer Schlägertruppe rettet. Auf Anhieb verliebt er sich in Yoko, doch seine Verkleidung führt zu Verwechslungen und dann kommt auch noch die Führerin der Zero-Sekte ins Spiel, die den Priester und seine Familie für ihre Zwecke instrumentalisieren will.
Nur eine Ahnung von der Schrägheit und Überdrehtheit von „Love Exposure“ kann diese Inhaltsangabe vermitteln, denn außer Acht gelassen wird dabei der Wechsel der Erzählperspekitven, Kapitelüberschriften, der durch die sehr bewegliche digitale Handkamera erzeugte Look, der wilde Musikmix von Sakralmusik über Ravels "Bolero" und Beethovens "Neunter" bis zu japanischer Rockmusik und die inhaltliche Mixtur aus brutaler, bluttriefender Gewalt, Slapstick und hochromantischen Momenten. Denn bei aller Kritik an der japanischen Pornoindustrie, an religiösem Fanatismus mit Einbläuen von Schuldgefühlen, die sich später in Aggressionen entladen, an Katholizismus, Sektentum, autoritärer Erziehung und Kindesmissbrauch, steht im Zentrum letztlich eine große Liebesgeschichte und der Weg zweier Jugendlicher zu sich selbst und zum Glück.
Spielboden Dornbirn: Sa, 19.12., 20.30 Uhr