Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Gunnar Landsgesell · 21. Apr 2016 · Film

A War

Kein Kriegsfilm im herkömmlichen Sinn, sondern eine Überschneidung von Familiendrama und Krieg, das nach einem tödlichen Zwischenfall in einem handfesten Dilemma endet. Was zählt mehr: das Leben einer dänischen oder einer afghanischen Familie, die keinen Rechtsstaat hinter sich hat? Ein schnörkellos inszenierter Film, der gut daran tut, sein Publikum zu befragen.

Die Eröffnung von „A War“ täuscht über das, was folgen wird: Eine explosive Gefechtssituation steht am Beginn dieser Erzählung und dennoch entfaltet sich „A War“ – der Titel ist bewußt unspezifisch gehalten – nicht als Kriegsfilm im herkömmlichen Sinn. Regisseur Tobias Lindholm überkreuzt die Genres von Familiendrama und Kriegsfilm zu einer ebenso spannungsreichen wie nüchternen Reflexion über Fragen von Schuld und Verantwortung. Dem Publikum bleibt die schwierige Aufgabe, selbst zu entscheiden, wie es das Geschehen bewertet.

Vertrackte Parabel


Der Armeeangehörige Claus Michael Pedersen (Pilou Asbæk) trägt als Kommandant einer dänischen Einheit in Afghanistan die Verantwortung für seine Männer. Als ein junger Soldat stirbt und sich Schuldgefühle unter den Männern breitmachen, beschließt Pedersen in einem ungewöhnlichen Schritt, selbst mit seiner Truppe durch die Dörfer zu patrouillieren. Bei einem Gefecht mit den Taliban gerät die Einheit heftig unter Beschuss, ein weiterer Soldat droht zu sterben. In einer Situation höchster Belastung gibt Pedersen einen folgenschweren Befehl, der den Tod mehrerer afghanischer Zivilisten zur Folge hat. Bis zu diesem neuralgischen Punkt hat „A War“ schon mehrfach nach Dänemark geschwenkt, wo Pedersens Frau Maria (Tuva Novotny) mit den beiden kleinen Kindern lebt. Lindholm stellt auf herausfordernde Weise den von Selbstdisziplin getragenen Alltag von Maria dem ihres Mannes gegenüber. "Wann kommt Papa zurück", fragt der kleine Sohn. "Schon in drei Monaten", antwortet die Mutter. Zwei Menschen, gewissermaßen gefangen in Zusammenhängen, die sie selbst so nicht geschaffen haben, aber dennoch managen müssen. Als der Papa schließlich zurückkommt, ist das schon früher als geplant. Er hat sich für seinen problematischen Befehl vor Gericht zu verantworten. Hier führt Lindholm endgültig die bis dahin unscheinbaren Verbindungen zwischen den beiden Eheleuten zu einem glasklar formulierten moralischen Dilemma zusammen. Was wiegt mehr: Die Zukunft der eigenen Familie oder die Aufrichtigkeit eines Mannes, der dafür ins Gefängnis gehen könnte. Was zählt mehr: Die Kinder einer dänischen Familie oder jene einer afghanischen Familie, die keinen Rechtsstaat hinter sich hatte? Lindholm, der auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, inszenierte ein schnörkelloses Drama, das in seiner Anlage an Thomas Vinterbergs Pädophilie-Thriller „Die Jagd“ (2012) erinnert. Auch dafür hat Lindholm die Vorlage geschrieben. P.S. Gänzlich misslungen ist eine andere Kollaboration der beiden: „Die Kommune“, derzeit im Kino zu sehen, findet keinen Zugang zu seinem Thema und liefert unter Vinterbergs Regie keine Beschreibung, sondern nur eine Abrechnung mit dem Versuch, die Kleinfamilie zu überwinden.