Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Gunnar Landsgesell · 14. Apr 2016 · Film

A Good American

Hätte 9/11 verhindert werden können? Ja, sagt Regisseur Friedrich Moser gemeinsam mit dem Protagonisten seines Dokumentarfilms "A Good American". Der ehemalige NSA-Agent Bill Binney hatte ein Programm entwickelt, das zielgenau Terroristen aus den Massendaten herausfiltert. Dann wurde ihm das Programm abgedreht. Von der NSA selbst. Alles nur Verschwörung?

„A Good American“ setzt bewußt zwei spekulative Elemente an den Beginn. Wir erfahren: Bill Binney, der ehemalige NSA-Mitarbeiter und Whistleblower, um den es hier geht, hat sein Testament gemacht. Darin steht, dass er niemals freiwillig Suizid begehen würde. Damit wäre der konspirative Rahmen, in dem sich diese Geschichte zuträgt, gleich einmal geklärt. Zweitens: 9/11 und damit der Tod von rund 3.000 Menschen hätte verhindert werden können – und zwar mit einem Computerprogramm namens Thinthread, das der NSA-Mann Binney entwickelt hatte. Bis es ihm die National Security Agency abgedreht hat. Schon nach wenigen Minuten sind wir eingetaucht in die Welt der Geheimdienste, in der es naturgemäß um Verschwörungen, finstere Pläne, Geheimnisse, Spekulationen und die mühsame Suche nach der Wahrheit geht. „A Good American“ selbst ist so eine Suche nach einer quasi unterdrückten Wahrheit. Jahrelang hat Regisseur Friedrich Moser für seinen Kino-Dokumentarfilm die Fäden zusammengeführt, die zur abenteuerlichen Geschichte von William Binney führen. Bemerkenswert an „A Good American“ sind dabei vor allem zwei Dinge: Erstens erweist sich als Bühne der Konspiration kein terroristisches Netzwerk wie die al-Qaida, sondern die NSA selbst wird zum Ort einer Intrige und Vertuschungsaktion. Und zweitens verzichtet Moser durchaus ungewöhnlich auf eine Äquidistanz zu seinen Akteuren und schließt sich der Überzeugung seines Protagonisten Binney an, dass dessen Computerprogramm Thinthread den Terroranschlag vom 11. September und auch andere verhindern hätte können. Moser versucht, sein Publikum aber nicht damit zu langweilen, mit welchen Algorithmen oder Erfassungsmöglichkeiten Thinthread funktioniert, sondern bedient sich einer Form des Dramas, das retrospektiv aufgerollt wird.

Die NSA als großer Futtertrog


Binney, der nur wenige Monate nach 9/11 aus der NSA ausgeschieden ist, wird darin zur zentralen Figur. Er und einige seiner Mitstreiter, die ebenfalls nicht mehr dem Geheimdienst angehören, rollen die Ereignisse auf. Demnach kochten leitende NSA-Agenten ihr eigenes Süppchen, stärkten lieber ihre eigene Hausmacht und kassierten lieber hunderte Millionen Dollar für den Behördenapparat ein, um damit kräftig die Massenüberwachung der Bevölkerung auszubauen, anstatt den Terrorismus gezielt zu bekämpfen. Vieles von dem, was einem in „A Good American“ erzählt wird, klingt recht abenteuerlich und Moser weiß, wie er die Faszination seiner Geschichte aufrecht erhält. Etwa, dass das ominöse Thinthread-Programm nicht nur die effizientere, sondern auch die demokratiepolitisch feinere Methode der Überwachung wäre. Demnach würden die Terroristen herausgefiltert, während die Privatsphäre der Bürger geschützt bliebe. Die bürgerlichen Freiheiten und ihre Einschränkungen im Zuge der Terrorverhinderung sind bis heute ein heiß diskutiertes Thema in den USA. Dass die NSA aber einigen Aufwand betrieb, um ihre eigene Ineffizienz zu verschleiern und sich von „Unruhestiftern“ trennte, klingt durchaus plausibel. Moser findet dazu ganz nebenbei immer wieder hübsche Bilder oder auch Tiermetaphern. Ein Vogel, der sich an einer Futterstelle seine Körner holt oder ein Eichhörnchen im Wald, das gierig an einer Frucht nagt. Wie auch immer Binneys Geschichte interpretiert wird, die NSA hat sich ihre eigenen Futtertröge offenbar zu erhalten versucht.