Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Walter Gasperi · 17. Aug 2009 · Film

24. Alpinale - Kurzfilmfestival Nenzing

Unter der neuen Leitung von Manuela Mylonas und Cornelia Müller hat sich bei der Alpinale einiges geändert. Neben der konsequenten Positionierung als Kurzfilmfestival fiel auch der festlichere und professionellere Ablauf des Abendprogramms auf. Nichts auszusetzen gibt es auch an den preisgekrönten Filmen, einige Probleme hat das Festival aber noch.

Vorauszuschicken ist, dass sich die folgenden Bemerkungen nur auf den Abschlussabend, an dem die Preise vergeben wurden, beziehen. Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren verliehen Abendkleidung der Festivalleiterin Manuela Mylonas und ihrer Stellvertreterin Cornelia Müller sowie Anzug und Krawatte der anderen Mitarbeiter der Veranstaltung von Anfang an einen festlicheren Charakter. Auch ein Sektempfang trug zu dieser Stimmung bei.

Professioneller wirkte auch die Präsentation, die in Deutsch und Englisch erfolgte, auch wenn es wohl nur (sehr) wenige internationale Gäste gab. Etwas enttäuschend war dagegen die Zuschauerzahl, blieb doch geschätzt etwa die Hälfte der Sitzplätze auf dem Ramschwagplatz frei. Spärlich war auch das Interesse der Prominenz, konnten doch neben Landesstatthalter und Kulturlandesrat Markus Wallner, der die Pause nutzte um die Veranstaltung zu verlassen, und einer Filmhistorikerin keine Ehrengäste begrüßt werden. Insgesamt dürfte sich das Publikum auch eher aus Bewohnern der Region als aus dem Stammpublikum der diversen Filmclubs des Landes zusammengesetzt haben. Trotz insgesamt ansprechendem Besuch tut sich die Alpinale offensichtlich noch schwer, Filmfans des ganzen Landes oder auch angrenzender Regionen anzusprechen.

Geringes Medieninteresse

Dies mag auch am schwachen Interesse der Medien liegen. Am Abschlussabend war nur Walgau TV vertreten, nicht aber die beiden Vorarlberger Tageszeitungen oder der ORF. Von der Preisverleihung eines fünftägigen Filmfestivals würde man sich doch einen redaktionellen Beitrag und nicht nur die Übernahme der Presseaussendung erwarten. Diese geringe Wertschätzung durch die Medien – in den VN wurde der „Alpenparty der Klostertaler“ deutlich mehr Platz eingeräumt – kann man freilich nicht unbedingt dem Festival vorwerfen, mit etwas Eigeninitiative hätte man aber wohl dafür sorgen können, dass man in der Sonntagsausgabe (also am Schlusstag des Festivals) des an jeden Haushalt gehenden Gratisblattes „Wann & Wo“ mit einem Beitrag präsent ist und nicht gänzlich unerwähnt bleibt.

Qualitativ hervorragende Filme

Als durchaus hervorragend muss man aber die Qualität der preisgekrönten Filme, die heuer erstmals im Rahmen der Preisverleihung am Abschlussabend – bislang wurde an diesem Termin ein abendfüllender Spielfilm gezeigt – nochmals dem Publikum präsentiert wurden. Mehr Publikum und mehr Medieninteresse hätte man ihnen gewünscht und hätten sie zweifelsohne auch verdient.

Bei den Vorarlberg Shorts siegte die Schülerarbeit „Love Affair“, in dem Christian Bitschnau (BG Feldkirch Schillerstraße) witzig und mit minimalen Mitteln von einer geträumten Beziehung erzählt, um den Film dann auch mit einer überraschenden Pointe enden zu lassen. Etwas bedauerlich, aber nun mal nicht zu ändern war, dass man Bitschnau – im Gegensatz zu anders lautenden Medienberichten – als einzigem Preisträger das „Goldene Einhorn“ persönlich überreichen konnte, die anderen preisgekrönten Regisseure, wie Lars Kreyßig, der für „Bruder, Bruder“ das Goldene Einhorn für den besten Hochschulfilm gewann, konnten leider nicht anreisen.

Wie Kreyßig in diesem an der Hochschule für Medien in Köln entstandenen Kurzfilm Spannung aufbaut und gleichzeitig gesellschaftliche Realitäten wie Kommunikationslosigkeit in der Familie oder Gewaltfilme reflektiert, ist schon ein kleines Meisterstück. Nahezu in Echtzeit und auch die Einheit des Ortes einhaltend erzählt der 1981 geborene Regisseur von zwei Brüdern, die mit der Handykamera einen Horrorfilm nachspielen. Langsam kippt dabei das Spiel, während die Eltern mit Bier und Zeitschrift vor dem Fernseher sitzen, in bitteren Ernst. Beeindruckend ist hier auch das Spiel mit subjektiven Bildern der Handykamera. Nachdem Pippo Delbono mit „La paura“ beim Filmfestival Locarno den ersten kompletten Handyfilm gezeigt hat, in „Bruder, Bruder auch mit der Handykamera gearbeitet wird, ist da wohl in den nächsten Jahren eine neue Richtung im Filmschaffen zu erwarten.

Ein souveräner, an die Filme Hitchcocks erinnernder Thriller ist Bosiljka Simonovics als „Bester Kurzfilm International“ ausgezeichneter „Pig“. Eigentlich lebt Andreas in einer heilen Familie, mit schwangerer Frau und Tochter. Doch dann taucht kurz vor Weihnachten eine Frau auf, bei der Andreas einst Babysitter war und die er seither nicht mehr gesehen hatte. Etwas vorsehbar ist zwar das Geheimnis, das schließlich gelüftet wird, spannend ist das aber doch anzusehen.

Wunderbare Animationsfilme und bewegendes DDR-Drama

Schon bei den Solothurner Filmtagen 2008 bewundern konnte man Claudius Gentinettas und Frank Brauns Animationsfilm „Die Seilbahn“. Ganz in Bildern – „Eh voila“ bleiben die einzigen Worte – erzählen die Filmemacher von einem alten Mann, der mit einer Seilbahn in die Höhe schwebt und dabei mit Klebeband sämtliche Gefahren und Katastrophen zu umgehen scheint. Im Gegensatz zu diesem liebevollen klassischen Zeichentrickfilm erinnert das ebenfalls in der Kategorie „Bester Animationsfilm“ ausgezeichnete Werk „Milovans Circus“ in seiner Machart an Tim Burtons „Corpse Bride“.  Wunderbar poetisch und melancholisch, auf Worte ganz verzichtend erzählt Gerlando Infuso von einem Pantomimen, der sich an seine glorreiche Zeit erinnert.

Während Fabian Busch in dem mit dem Publikumspreis ausgezeichneten „Edgar“ etwas sentimental, aber mit geschickten Wendungen von einem Pensionisten erzählt, der unbedingt einen Job möchte, um das Gefühl zu haben, gebraucht zu werden und seinem Leben einen Sinn zu geben, entführt Hannes Treiber in „Freies Land“ in die DDR der frühen 80er Jahre. Unterstützt von hervorragenden Darstellern zeichnet Treiber in diesem 24-minütigen Kurzspielfilm vielschichtig und bewegend eine Familie, die durch das Treffen einer Entscheidung, „rüber zu machen“ – also in die BRD zu emigrieren – oder in der Heimat zu bleiben, in der es keine Freiheit gibt, fast zerrissen wird.