Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Peter Füssl · 04. Sep 2013 · CD-Tipp

Willis Earls Beal: Nobody Knows.

Die Soulstimme des zumindest offiziell 28-jährigen Willis Earl Beal geht von den ersten a-cappella gesungenen Tönen des Openers „Wavering Lines“ an direkt unter die Haut wie schon lange keine mehr. Das knapp einstündige Album bewegt sich irgendwo zwischen orchestralem Blues, entrücktem R’n’B, Noise und eigenartigen Soundcollagen, die sich an den Lo-Fi-Ursprüngen Beals zu orientieren scheinen.

Der war nämlich in einer depressiven Phase als unterkunftsloser Gelegenheitsarbeiter von seiner Geburtsstadt Chicago nach Albuquerque/New Mexico gezogen, hat hunderte von Songs geschrieben und mit einer Karaokemaschine und von der Müllhalde geretteten Instrumenten aufgenommen und CDs davon auf der Suche nach zwischenmenschlichen Kontakten an öffentlichen Platzen hinterlegt. Die Songs wurden von freundlichen Findern ins Internet gestellt, wo das englische Label XL Recordings, auf dem sonst Stars wie Jack White, Vampire Weekend oder Radiohead veröffentlichen, auf ihn aufmerksam wurde, was den Stein endgültig ins Rollen brachte. Die Briten machten offenbar nicht den fatalen Fehler, Willis Earl Beal markttauglich domestizieren zu wollen, sondern beließen den Stücken ihren fragmentarischen Charakter fern jeglicher Perfektion. Denn genau das macht den Reiz aus. Würde man diesen Rohdiamanten schleifen, bliebe am Schluss möglicherweise nur einer von vielen Kieselsteinen übrig. Ob all die Geschichten um Willis Earl Beal wahr sind oder PR-Gags, ob Beal, der sich selber Nobody nennt und Sätze wie „I want to be a shadow, not the man casting it. That’s who ‚Nobody’ is“ loslässt, tatsächlich so ein Sonderling ist, ob der gerne gezogene Vergleich mit der Blues-Legende Robert Johnson, der seine Seele dem Teufel verkauft haben soll, damit ihm dieser das Gitarrespielen beibringe, tatsächlich passt – das ist alles Nebensache. Wer sich „Nobody knows.“ anhört, der weiß das!  
(XL Recordings/Beggars/Vertrieb: Indigo)