Vincent Peirani/Emile Parisien: Abrazo
Mit dem mit einem peruanischen Rhythmus gepimpten, quicklebendigen „The Crave“ von Jelly Roll Morton als Opener verweisen Akkordeonist Vincent Peirani und Sopransaxophonist Emile Parisien auf ihr erstes, 2014 erschienenes, überaus erfolgreiches Duo-Album „Belle Epoque“, das den wilden 1920-er Jahren gewidmet war. Der rote Faden durch das aktuelle Album ist nun der Tango, allerdings keineswegs puristisch verstanden, sondern eher atmosphärisch und unterschiedlichsten Einflüssen gegenüber offen.
Selbstverständlich haben sie Astor Piazzolla an Bord, mit „Fuga Y Mysterio“ und „Deus Xango“ haben sie zwei ausgesprochen jazzaffine Kompositionen des argentinischen Großmeisters ausgewählt. Diese dramatisch aufwühlenden Stücke werden durch Peiranis stimmungsvolles „Between T’s“ perfekt verbunden. Mit dem mehr als neun Minuten langen „Nouchka“ hat der Akkordeonist auch das längste, unterschiedlichste Stimmungen evozierende und eindrucksvolle stilistische Bocksprünge vollziehende Stück beigesteuert, während sich sein „F.T.“ als kurzer, aber umso heftigerer „Funky Tango“ entlädt. In wundervoll melancholischem Gegensatz dazu schwelgt Emile Parisiens „Memento“. Der in Frankreich lebende, argentinisch-stämmige Gitarrist und Komponist Tomás Gubtisch bewegt sich erfolgreich im Spannungsfeld von Tango, Jazz, Pop, Rock und Orchestermusik – entsprechend abwechslungsreiches Material bietet auch seine Komposition „A Bebernos Los Vientos“. Während der legendäre, katalanisch-kubanische „Rumba-König“ Xavier Cugat mit „Temptations“ erwartungsgemäß ins Konzept passt, ist die Stimmigkeit des wundervollen, mittlerweile auch schon 40 Jahre alten, im Dreivierteltakt notierten Kate Bush-Songs „Army Dreamers“ mit seiner sich ins Ohr schmeichelnden Melodie doch einigermaßen verblüffend. Peirani und Parisien zählen beide mit unterschiedlichsten Bandprojekten zur europäischen Top-Elite, im Duo entfachen die beiden Virtuosen aber ein wahres Feuerwerk an musikalischen Ideen, das höchstes Hörvergnügen bereitet. „Abrazo“ bedeutet „Umarmung“ – hier ist aber nicht nur jene des Tangopaares gemeint, sondern auch jene zweier musikalischer Brüder im Geiste, die in den letzten acht Jahren rund 1000 Konzerte gemeinsam gespielt haben, und immer noch so wirken, als hätten sie sich eben kennengelernt und wären unglaublich gespannt darauf, einander musikalisch zu entdecken. Der Quell wechselseitiger Inspirationen versiegt wohl nie. Faszinierend!
(ACT)