Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Peter Füssl · 07. Nov 2022 · CD-Tipp

The Comet Is Coming: Hyper-Dimensional Expansion Beam

Das vierte Album von Comet Is Coming würde bei der Suche nach dem passenden Soundtrack für unsere apokalyptischen Zeiten sicherlich in die engere Auswahl kommen. Zumal es sich mit den elf Titeln – die entsprechende Kondition vorausgesetzt – noch dazu vortrefflich in den Abgrund tanzen ließe. „Hyper-Dimensional Expansion Beam“ wird die Geister scheiden, denn des einen Inferno, ist des anderen Paradies. Den Anfang nahm alles in Peter Gabriels Real World Studios, wo sich im Frühjahr 2021 drei ehemalige Absolventen der Londoner Guildhall School of Music and Drama trafen, um mit Hilfe ihres Langzeit-Toningenieurs Craig Robinson in vier Tagen Unmengen an spontanen Improvisationen auf Band zu bannen.

Danalouge (bürgerlich Dan Leavers) hatte Folgendes im Gepäck: Roland SH-09, Roland Juno-60, Ensoniq ESQ1, Yamaha DX7, Roland VP-330, Pro Rhythm Moog Sub Phatty, Roland SH-101, Jen Piano-73, Roland Jupiter-4, Perkussionsinstrumente und Field Recordings. Im Vergleich dazu nimmt sich das Equipment von Betamax (Max Hallett) nahezu bescheiden aus: Drums, Percussion, Simmons Clap Trap, Roland Jupiter-4, JHS Pro-Rhythm & Roland TR-808. King Shabaka (Shabaka Hutchings) schließlich reiste überhaupt nur mit dem Tenorsax und mit einer Shakuhachi an, einer japanischen Bambusflöte, die in seinem Fall aber aus Plastik gefertigt war. Völlig ausreichende Mittel zum Zweck, denn Hutchings, der als einer der wichtigsten Trendsetter der Gegenwart gilt, hatte sich eine absolut minimalistische, sich ständig wiederholende, jedoch umso brachialere und druckvollere Ausrichtung des Bläserparts vorgenommen. Danalogue und Betamax sampelten, de- und rekonstruierten, verfremdeten und schichteten das aufgenommene Material in akribischer Studioarbeit über Monate hinweg – wahrscheinlich sollte man die Postproduktion ohnehin als den eigentlichen Kompositionsprozess betrachten – und destillierten aus neun Stunden Ausgangsmaterial schließlich 43 Minuten und 32 Sekunden heraus, die es in sich haben. Da treffen sich entfernte Anklänge an futuristischen Space-Jazz à la Sun Ra, psychedelischer Punk-Funk-Jazz-Rock, Synthesizer-Krautrock à la Kraftwerk oder Tangerine Dream, Afro-House, Detroit Techno, Calypso-Rhythmen, knallharte und tonnenschwere Electronic-Dance-Floor-Detonationen und inbrünstige, meist stakkatoartig geröhrte Saxophon-Explosionen. Mitunter hat man den Eindruck, es walze sich eine gewaltige Soundwand heran, vor der es kein Entrinnen gibt. Also am besten gleich zu voller Lautstärke aufdrehen, denn dann bohrt sich das düster umwölkte Elektronik-Gebräu so richtig schön mit voller Intensität in Hirn und Eingeweide. Happy Weltuntergang!

(impulse!/Universal)