Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Peter Füssl · 09. Okt 2009 · CD-Tipp

Steve Kuhn Trio W/ Joe Lovano: Mostly Coltrane

Wenige Jazz-Legenden wurden mit so vielen Hommagen bedacht wie John Coltrane, aber „Mostly Coltrane“ ist nicht einfach eine weitere Verbeugung vor dem großen Meister und Trendsetter, sondern ein wunderschönes Zelebrieren und Reflektieren seines musikalischen und spirituellen Universums.

Die Musiker lassen sich ungemein tief in diese Auseinandersetzung ein, sind aber selber so starke Persönlichkeiten, dass sie sich nie gänzlich in der Sogwirkung Coltranes verlieren, sondern zu höchst eigenständigen musikalischen Statements aus dem Geiste Coltranes heraus fähig sind. Steve Kuhn, der 1960 im Alter von 21 Jahren acht Wochen lang als erster Pianist des damals frisch gegründeten John Coltrane Quartets direkt im Geschehen war, ist einer der komplettesten Jazzpianisten der Gegenwart, der in seinen impressionistischen Klangbildern Tradition und Avantgarde nahtlos zu verbinden weiß. Oder, wie es George Russell einmal humorvoll ausdrückte, dessen linke Hand wie Ornette Coleman und dessen rechte Hand wie Mantovani klingt. Kuhn zählt zum ECM-Urgestein und spielt mit Kontrabassist David Finck und Drummer Joey Baron schon seit mehr als fünfzehn Jahren in einem kongenialen Trio. Dass es sich hier nicht um ein für nur eine Produktion zusammengewürfeltes Dreamteam, sondern um einen über die Jahre gereiften Klangkörper handelt, ist in jeder Note der 13 Titel – neun davon aus der Feder Coltranes – spürbar. Umso erstaunlicher ist aber auch die Tatsache, wie nahtlos sich Joe Lovano ins interaktive Gruppenspiel einfügt und klar macht, dass ein gutes Quartett weit mehr ist, als die Summe aus vier Musikern. Lovanos Part als Tenorsaxophonist in einem Coltrane-Projekt ist natürlich ein gewagter, aber wer, wenn nicht er, mit seiner großen stilistischen Bandbreite, seinem unermüdlichen Erfindungsreichtum und seinem riesigen Ton, könnte dieser Herausforderung gerecht werden. „Mostly Coltrane“ ist ein wunderschönes, über weite Strecken meditatives Album, dem aber keineswegs die notwendigen Kanten und Ecken fehlen und wo es auch schon mal ganz schön zur Sache gehen kann – am eindrucksvollsten vielleicht bei „Configuration“. Ein äußerst intensives musikalisches Erlebnis!

(ECM 2099 2701114)