Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Peter Füssl · 14. Dez 2020 · CD-Tipp

Shalosh: Broken Balance

„Wir wollten die Extreme mehr ausreizen, wollten mehr links und rechts schauen und dramatischer sein. Emotion ist wichtiger als Intellekt“, erklären Pianist Gadi Stern, Kontrabassist David Michaeli und Drummer Matan Assayag zum neuen Album. Dabei war doch schon das 2019 erschienene ACT-Debüt „onwards and upwards“ ein grandioses Sammelsurium waghalsiger musikalischer Ideen, die sich auf wundersame Weise dennoch in einem alles überlagernden, durchgängigen Flow zusammenfügten.

Dasselbe lässt sich nun über „Broken Balance“ sagen, ein sich über zehn Stücke erstreckender Mahlstrom aus eingängigen Melodien und wilden Ausritten ins Atonale, unzähligen harmonischen und rhythmischen Twists und Brüchen, aus ganz großem Drama, nostalgischem Schwelgen und bittersüß dahingetupfter Melancholie. Gerne auch alles zusammen in einem Stück. Die Energie des Rock ist omnipräsent, keineswegs nur – wie naheliegend – im Nirvana-Song „Breed“, der einzigen Fremdkomposition des Albums. Cobain & Co werden von den drei Tel Avivern neben The Bad Plus und Brahms als wichtigste Einflüsse genannt, wenngleich hier auch die Nähe zu e.s.t deutlich wird, und es wohl kaum ein Zufall ist, dass Shalosh im selben Studio in Göteborg aufgenommen hat wie einstmals das epochale schwedische Piano-Trio. Alles klingt wirklich extrem emotional und sehr intensiv, spielt mit stilistischen Kontrasten und lässt ganz bewusst Feinsinniges sich an Brachialem reiben. Dabei klingt nichts überkonstruiert, vielmehr sind Spaß und Spielfreude stets spürbar. In den repetitiven Passagen entwickelt sich eine unglaubliche Sogwirkung, auf der man schwerelos mitgetragen wird. Sie seien immer Shalosh, egal ob sie nach Swing oder nach Death Metal klingen, konstatiert das eigenwillige Trio selbstbewusst. Ja, so ist es. Wobei es alle drei gleich gut verstehen, mühelos zwischen Hau-Drauf und Filigranarbeit hin und her zu switchen. Und es gelingt ihnen, wirklich 50 Minuten lang die Spannung aufrechtzuerhalten, ehe man nach dem ersten Hören ungläubig den Kopf schüttelt, ob die denn wirklich alles so gespielt haben, wie man es zu hören glaubte. Witzig und faszinierend!

(ACT)

Konzerttipps: Unterfahrt München (22.1.), BIX Stuttgart (8.4.)