Uraufführung des Stückes „Stromberger oder Bilder von allem“ im Vorarlberger Landestheater (Foto: Anja Köhler)
Peter Füssl · 04. Mär 2019 · CD-Tipp

Sarah McCoy: Blood Siren

Tom Waits, Amy Winehouse, Janis Joplin, Leon Russell, Nina Simone, Bessie Smith – das sind die Referenzgrößen, die genannt werden, wenn es darum geht, die 33-jährige amerikanische Sängerin, Pianistin und Songschreiberin Sarah McCoy in einer Art Ahnengalerie großartiger Außenseiter-Stars zu verorten. Verblüffenderweise wird schon nach wenigen Tönen ihres beim Renommierlabel Blue Note erschienen Debüt-Albums „Blood Siren“ klar, dass man es hier nicht mit einem Kunstprodukt aus der Retorte oder mit einem gut gemachten PR-Gag zu tun hat, sondern mit einer Künstlerin, die vom Leben geformt wurde, die weiß, wovon sie singt, wenn es in ihren Liedern um Liebe, Schmerz und Tod, Verlust, Verrat und enttäuschte Hoffnungen, ums Leben am äußersten Rand der Gesellschaft geht.

In Pine Plains, einem Nest im Umfeld von New York als Tochter einer Ex-Nonne und eines Kriegsveteranen geboren und in South Carolina aufgewachsen, trampte sie als Teenager nach Kalifornien, wo sie jahrelang auf der Straße lebte und sich mit Gelegenheitsjobs und Straßenmusik über Wasser hielt. 2011 zog McCoy nach New Orleans, wo sie sich sofort zu Hause fühlte, weil „dort alle ein wenig kaputt sind. Du bist nie der Verrückteste, der die Straße entlangläuft. Es gibt immer jemanden, der durchgeknallter ist.“ Dort spielte sie sich von den übelsten Kaschemmen in den angesagten „Cat Club“ im French-Quarter hoch, wo sie vom französischen Dokumentarfilmer Bruno Moynie entdeckt wurde, der sie auch nach Frankreich brachte. In Paris schlug dann 2017 Sarah McCoys große Stunde, als sie das Vorprogramm für Jarvis Cocker und Chilly Gonzales bestritt und Letzterer sie total begeistert zu Probeaufnahmen einlud. Als Resultat liegen nun 13 Eigenkompositionen vor, die Sarah McCoys dunkle, tiefe, voluminöse, alle emotionalen Register ziehende Stimme in den Mittelpunkt stellen. Sie begleitet sich selbst unprätentiös, aber wirkungsvoll am Klavier, der Rest wird klugerweise aufs Minimum reduziert. Gonzales und sein Co-Produzent Renaud Letang steuern Backing Vocals und sehr dezente Synthesizerklänge bei, Stella Le Page untermalt einige Passagen mit dem Cello – fertig ist der mit Blues-, Jazz- und Cabaret-Elementen infiltrierte Film-Noir-Pop, der als idealer Soundtrack für die düstere Stimmung zur Geisterstunde dient. Die Texte der von den Beatniks begeisterten Sängerin tragen wenig überraschend meist autobiographische Züge und gewähren manchmal tiefe Einblicke in ihr Seelenleben. Bei ihren exzentrischen Live-Auftritten und auf Fotos inszeniert sich Sarah McCoy im Gothic-Look mit stilisierter Dornenkrone oder mit blutigen Tränen auf der Wange, ihre Lust an Voodoo-Feeling und schwarzer Magie hat sie wohl aus New Orleans über den Großen Teich mitgebracht. Und trotz aller Düsternis lässt sich auch ein bisschen Lebensfreude nicht länger verbergen – wen wundert’s angesichts der begeisterten Kritiken.

(Blue Note/Universal)