Ethan Coen hat seinen ersten Spielfilm als Soloregisseur gedreht: „Drive-Away Dolls“. (Foto: Focus Features)
Peter Füssl · 26. Okt 2020 · CD-Tipp

Ron Miles: Rainbow Sign

Mit Gitarrist Bill Frisell, Pianist Jason Moran, Bassist Thomas Morgan und Drummer Brian Blade stand dem Trompeter Ron Miles eine Traumbesetzung zur Verfügung, die nicht nur anlassbedingt zusammengewürfelt wurde, sondern mit der er bereits vor drei Jahren das vielgepriesene Album „I Am a Man“ (Enja) eingespielt hat. Die Musiker hatten aber auch schon früher viele Berührungspunkte untereinander und weisen als weiteren gemeinsamen musikalischen Nenner eine tiefe Kenntnis der Jazz-Tradition auf, bei gleichzeitiger Offenheit für alle neuen Einflüsse.

Ron Miles, der auf den neun Eigenkompositionen seines Blue Note-Debüts ausschließlich ein etwas tiefer als üblich, nämlich in G gestimmtes Kornett spielt, nennt als frühe Vorbilder Dizzy Gillespie und Maynard Ferguson. Er tauchte auf mehreren Alben von Otis Taylor in seiner Heimatstadt Denver/Colorado aber auch tief in den Blues ein und hatte unter Dukes Sohn Mercer ein Engagement im Duke Ellington Orchestra. In den 1990-er Jahren spielt Miles auf dem Album „Coward Of The County“ der Rock-Legende Ginger Baker, für das er auch einige Titel komponierte. Gleichzeitig gewann er durch seine Engagements als Duo-Partner und in diversen Bands von Bill Frisell breitgestreute Aufmerksamkeit in Jazz-Kreisen. Modaler Jazz, Bebop, Blues, die Pop-Einflüsse seiner Jugendzeit, aber auch äthiopischer Pop und Ethno-Jazz („Queen of The South“) – eine Vielzahl an Einflüssen spiegelt sich folglich in den bis zu 16 Minuten langen Stücken wider, die Ron Miles vor zwei Jahren in jenen Wochen schrieb, in denen er seinen sterbenden Vater pflegte und begleitete. Wir haben es hier aber nicht mit einem 70-minütigen Lamento zu tun, ganz im Gegenteil, denn wie der Titel „Rainbow Sign“ schon andeutet, geht es vielmehr um Zuversicht, Hoffnung und Kraft, die man auch aus solch einer Situation schöpfen kann. Höchst emotional ist das Album aber auf jeden Fall – egal, ob sich das musikalische Geschehen, mit zahlreichen Raffinessen und unerwarteten Wendungen gespickt, zaghaft vorantastet, kraftvoll drauflos prescht oder zu einer stimmungsvollen Ballade verdichtet. Morgan und Blade erweisen sich als ungemein einfallsreiches Rhythmus-Gespann, Moran und Frisell bringen ihre unverkennbaren Signature-Sounds eindrucksvoll zur Geltung, und Ron Miles Kornett-Linien gehen unter die Haut, ob er sich nun in gefühlvoller Zurückhaltung übt, oder – an den großartigen Lester Bowie erinnernd – die Seele aus dem Leibe bläst. Fünf großartige Individualisten, die ihre außerordentlichen Fähigkeiten in einem miteißenden Band-Sound bündeln. Ein großartiges Album!

(Blue Note/Universal)