Uraufführung des Stückes „Stromberger oder Bilder von allem“ im Vorarlberger Landestheater (Foto: Anja Köhler)
Peter Füssl · 06. Feb 2019 · CD-Tipp

Ralph Alessi: Imaginary Friends

Mit den beiden ausgezeichneten, im Quartett eingespielten ECM-Alben „Baida“ (2013) und „Quiver“ (2016) hat sich der New Yorker Trompeter Ralph Alessi die Latte selbst sehr hoch gelegt. Umso bemerkenswerter ist es, mit welcher Souveränität und Leichtigkeit er nun mit seinem in 15 Jahren bestens eingespielten, zumeist unter dem Namen „This Against That“ firmierenden Quintett nochmals – mit Manfred Eicher als Produzenten – neue Maßstäbe setzt.

Ralph Alessi hat in Saxophonist Ravi Coltrane, Pianist Andy Milne, Kontrabassist Drew Gress und Drummer Mark Ferber kongeniale Mitstreiter gefunden und mit ihnen auf vielen Tourneen das gemeinsame Musizieren perfektioniert. Auch die neun neuen, bis zu 10 Minuten langen Stücke wurden vor den Studioaufnahmen auf einem Dutzend Konzerte ausgefeilt und verinnerlicht, weshalb die elaborierten, mit zahlreichen Finessen verfeinerten Eigenkompositionen Alessis nun wunderbar im musikalischen Fluss wirken und sich ihre Komplexität angesichts der Spielfreude aller Beteiligten nur noch erahnen lässt. Bassist Drew Gress, der bei den genannten Quartett-Alben mit Nasheet Waits bestens harmonierte, bildet auch mit Mark Ferber an den Drums ein exzellentes, höchst subtiles, aber auch durchaus zupackendes Rhythmusgespann, das auch rhythmisch höchst Vertracktes locker aus dem Ärmel schüttelt. Der vielseitige und vielbeschäftigte New Yorker Pianist Andy Milne studierte einst bei Oscar Peterson, verdiente sich in und rund um Steve Coleman’s M-Base Collective seine avantgardistischen Sporen und glänzt nun auf „Imaginary Friends“ mit rhythmisch-harmonischer Feinarbeit, kontemplativen („Iram Issela“) und extravaganten Soli („Improper Authorities“, „Melee“) – manchmal auch am präparierten Klavier. Zentrale musikalische Herzstücke sind aber die vielfältigen Dialoge und Soli Alessis und Ravi Coltranes, die schon seit ihrer Studienzeit am California Institute of the Arts vor dreißig Jahren gemeinsam auf der Bühne stehen. Den beiden exquisiten Technikern kommt natürlich Alessis Vorliebe und besonderes Gespür für interessante Melodien zugute. Sie umspielen und umgarnen sich in Unisono-Passagen, scheinen sich gegenseitig zu kommentieren oder duellieren sich in hinreißenden Dialogen – gerne auch alles im selben Stück. Vielleicht ist es Coltrane als besonderem Inspirationsgeber zu verdanken, dass Ralph Alessi mit diesem Album nicht nur kompositorisch, sondern vor allem auch als Trompeter allerhöchstes Niveau erreicht und mit kultiviertem Lyrizismus ebenso überzeugt wie mit kraftvollen Post-Bop-Linien oder vom Free-Jazz inspirierten Ausbrüchen. Wir haben zwar erst Jänner, aber hier präsentiert sich schon ein „Album des Jahres“. (ECM/www.lotusrecords.at)