Julia Hülsmann Quartet: Not Far From Here
In seinen eigenen Projekten ist Kempendorff Avantgardistischem gegenüber durchaus aufgeschlossen, hier fügt er sich aber wie ein alter Vertrauter nahtlos in diesen Freundeskreis und die bestehende Bandchemie ein, schließlich kennt man sich ja schon seit vielen Jahren von verschiedenen Berliner Szene-Projekten her. Alle Beteiligten steuern Eigenkompositionen bei, die Bandleaderin gleich fünf – von stimmungsvollen impressionistischen Klangmalereien wie „The Art Of Failing“ und „Weit Weg“ über Spannungsgeladenes wie „Streiflicht“ und „No Game“ zum extra für die neue Besetzung geschriebenen Titelstück. Marc Muellbauers Beiträge „Le Mistral“ und „Wrong Song“ ragen mit jeweils mehr als sieben Minuten nicht nur von der Länge, sondern auch von den ausgefallenen Kompositionsideen her heraus. Mit dem eigentlich als Filmmusik geschriebenen „This Is Not America“ von David Bowie/Pat Metheny/Lyle Mays stellt Julia Hülsmann wieder ihr Faible für bekannte Pop-Rock-Songs unter Beweis, auf früheren CDs präsentierte sie ja unter anderem Kompositionen von Seal, Radiohead oder Feist und sie hat auch ein Projekt mit Beatles-Liedern. Der Bowie-Song sei eigentlich eines ihrer „absoluten Lieblingslieder“, so die Pianistin, Kempendorffs sich zu einem wütenden Ausbruch steigerndes Saxsolo bringe nun aber angesichts der aktuellen Verhältnisse auch eine „politische Dimension zum Vorschein“. Ganz zum Schluss des Albums besinnt sie sich dann in einer stimmungsvollen Solointerpretation wieder des melancholischen Gehalts des Bowie-Hits. „Not Far From Here“ ist ein weiterer, ausgesprochen vielschichtiger und abwechslungsreicher Meilenstein im beachtlichen Oeuvre Julia Hülsmanns geworden – die durch großes Einfühlungsvermögen und Expressivität geprägte saxophonistische Eloquenz von Uli Kempendorff hat ganz maßgeblich dazu beigetragen.
(ECM/Vertrieb: www.lotusrecords.at)