Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Peter Füssl · 29. Jän 2019 · CD-Tipp

Joe Lovano: Trio Tapestry

Eigentlich ist es ja höchst verwunderlich, dass der 66-jährige Joe Lovano, einer der ganz großen Tenorsaxophonisten der Gegenwart, der rund 30 Alben als Bandleader vorwiegend bei „Blue Note“ herausgebracht hat, zwar schon seit bald vierzig Jahren auf ECM-Produktionen von Paul Motian, John Abercrombie oder Steve Kuhn zu hören war, aber erst jetzt sein Debut unter eigenem Namen beim Münchner Label präsentiert. Dafür nimmt „Trio Tapestry“ selbst im ungemein vielseitigen Oeuvre Lovanos, das sich in allen Formationsgrößen und zwischen Mainstream und Avantgarde abgespielt hat, eine Sonderstellung ein.

Denn es handle sich um „einige der intimsten und persönlichsten Stücke, die er bislang aufgenommen habe“, so Lovano, die er zwar komponiert habe, die aber erst im Zusammenspiel und in der Improvisation mit seinen Trio-Partnern ihre Vollendung fänden. Was wenig verwundert, denn mit der Pianistin Marilyn Crispell und dem Perkussionisten Carmen Castaldi verbindet ihn eine jahrzehntelange Freundschaft und Zusammenarbeit. Mit Crispell, die er Mitte der 1980-er Jahre während ihrer Zusammenarbeit mit Anthony Braxton traf, teilt Lovano auch das Interesse an Neuer Musik und zeitgenössischer Improvisationsmusik, mit Castaldi spielte er schon als Teenager in Cleveland und mit ihm ging er gemeinsam Anfang der 1970-er Jahre nach Berklee. Titelgemäß fügen sich die elf Eigenkompositionen zu einem ungemein bunten und vielschichtigen Klangteppich zusammen – Bilder von expressiver Schönheit, mystisch Verhangenes, experimentierfreudige Trio- und Duo-Improvisationen bis hin zum übermütigen Finale „The Smiling Dog“. Joe Lovano schöpft sein unglaublich breites Ausdrucksspektrum auf dem Tenorsaxophon, das auf der gesamten Jazz-Geschichte basiert, voll aus, zaubert dazu noch aus dem ungarischen Tárogató sehnsüchtig-geheimnisvolle Melodien („Mystic“) und meditiert mit seinen vielstimmigen Gongs. Marilyn Crispell schöpft ebenfalls aus ihrem reichhaltigen Fundus und brilliert mit ihrem unorthodoxen, expressiv-lyrischen und gleichermaßen impulsiv-kraftvollen Spiel auf Stücken wie „Tarrassa“, „Seeds of Change“, „Sparkle Lights“ oder „Rare Beauty“. Carmen Castaldi erweist sich als sehr inspirierter und feinsinniger Perkussionist und Drummer, als subtiler Impulsgeber und kongenialer Dialog- und Triologpartner, der extrem viel zur Intensität der Improvisationen beiträgt. „Das göttliche Timing des Zusammenspiels und der Interaktion ist magisch“, konstatiert Joe Lovano, und „für mich sind diese Aufnahmen ein Statement, wo ich derzeit stehe, wo ich gewesen bin und worauf ich zusteuern könnte.“ Das glaubt man ihm gerne. (ECM/Vertrieb: www.lotusrecords.at)