Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Peter Füssl · 09. Mär 2011 · CD-Tipp

Esperanza Spalding: Chamber Music Society

Als Esperanza Spalding bei der Grammy-Verleihung als „Best New Artist“ ausgezeichnet wurde, dürfte zwar so manchem Justin Bieber-, Drake- oder Florence and the Machine-Fan kurzfristig die Spucke weggeblieben sein, Jazz-Kenner waren aber wenig überrascht.

Schließlich hat die 26-jährige aus Portland/Oregon eine musikalisch und instrumentaltechnisch wohl fundierte Blitzkarriere hinter sich – mit fünf spielte sie Geige, mit 15 war sie Konzertmeisterin der Chamber Music Society of Oregon, wechselte zum Kontrabass und begann zu singen, studierte anschließend am renommierten Berkeley College of Music in Boston und wurde mit 20 dessen jüngste Professorin aller Zeiten. 2009  spielt sie bei der Verleihung des „Gershwin Prize“ an Stevie Wonder bei einer Gala im Weißen Haus und Barack Obama wählt die von Pat Metheny, Mike Stern, Joe Lovano oder Michel Camilo in höchsten Tönen Gelobte als musikalischen Aufputz für der Verleihung des Friedensnobelpreises aus, was sie auch unter jazzferneren Menschen schlagartig bekannt machte. Bereits Spaldings zweites Album, das 2008 erschienene „Esperanza“ war ziemlich ausgereift und ein Verkaufsschlager, der nun von „Chamber Music Society“ nochmals locker getoppt wird, denn hier kann Esperanza Spalding alle ihre Talente erstmals so richtig voll zur Geltung bringen. Sie hat acht der elf Titel selber komponiert, zwei davon auch getextet, und alle – teilweise unter Mithilfe von Gil Goldstein – geschmackssicher arrangiert. Sie lässt ihr Jazzquartett einfallsreich und effektvoll auf ein Streichertrio treffen und spricht damit Kammermusik-Freunde und Jazzfans gleichermaßen an. Ihr Markenzeichen, durchwegs swingendes, zupackendes Spiel auf dem Kontrabass kombiniert mit Scat- und Vocalesepassagen, hat Esperanza Spalding mittlerweile zur Perfektion verfeinert. Alles wirkt leicht und eingängig, auch wenn sich dahinter durchaus komplexe musikalische Kunstgriffe verbergen, und anstelle solistischer Extravaganzen wird einem banddienlichen Gesamtklang gehuldigt, der an Abwechslungsreichtum trotzdem keine Wünsche offen lässt. Als kleine Extras werden noch Duette mit Gretchen Parlato und Milton Nascimento eingestreut, und mit der passenden Vertonung des mystischen William Blake-Klassiker „Little Fly“ als Opener kann man eigentlich auch nichts falsch machen. Als Nicht-Jazzpurist verspürt man machmal vielleicht den Wunsch, Esperanza Spalding würde sich mehr über stilistische Genregrenzen hinwegsetzen. Da darf man sich wohl schon auf die für dieses Frühjahr angekündigte Nachfolge-CD „Radio Music Society“ freuen, in der sie ihr Spektrum um Funk, HipHop und Rock-Elemente erweitern wird.
Heads up/Vertrieb: Jürgen Rottensteiner)