Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Peter Füssl · 31. Jän 2022 · CD-Tipp

Elvis Costello & The Imposters: The Boy Named If

Der Opener „Farewell, OK” startet mit scharfer Rock’n’Roll-Gitarre und scheppernden Drums, als wäre in irgendeinem vergessenen Archiv doch noch ein früher Beatles-Song ausgegraben worden. Dieselbe an die 60- und 70-er Jahre erinnernde Vehemenz zieht sich durch alle dreizehn Songs des wahrscheinlich 35. (die Zählungen gehen auseinander) Studioalbums von Declan Patrick Aloysius MacManus, der in der Pop-Welt seit 1977 als Elvis Costello Furore macht. „The Boy Named if“ ist das vierte Album mit den Imposters – bestehend aus Drummer Pete Thomas, Bassist Davey Faragher und Pianist Steve Nieve -, die den Londoner seit zwanzig Jahren als Live-Band begleiten.

Das „If“ im Titel ist eine Abkürzung für „imaginary friend“, und jeder Song beleuchtet schnappschussartig eine andere Station im von Leid und Freud geprägten pubertären Leben eines Jungen, „was uns“, so Costello, „von den letzten Tagen einer verwirrten Kindheit bis zu dem demütigenden Moment führt, im dem einem gesagt wird, man solle aufhören, sich wie ein Kind zu benehmen – was den meisten Männern (und möglicherweise auch ein paar Frauen) jederzeit in den nächsten fünfzig Jahren passieren kann“. Vielleicht ist es ja dem trotzigen Sträuben gegen den Gedanken, sich von dem ihm innewohnenden Kind verabschieden zu müssen, zu verdanken, dass sich der 67-Jährige nach diversen Ausflügen in Richtung Bar-Jazz, Mainstream-Pop oder Motown-Soul wieder an seine rotzigen, aufmüpfigen, lauten Postpunk-New Wave-Anfänge erinnert. Wie erfrischend ist doch der harte, ins Psychedelische abdriftende Rock-Appeal des Titelstücks, der impulsive Sixties-Pop von „Penelope Halfpenny“, der raue Schmachtfetzen „What If I Can’t Give You Anything But Love?“, das einschmeichelnde „Paint The Red Rose Blue“, die melodienverliebte Ballade „Mr. Crescent“, das rumpelnde „Death of Magic Thinking“ oder das in lässiger Inbrunst vorantreibende „Magnificent Hurt“. Elvis Costello bedient hier auf eindrucksvolle und äußerst unterhaltsame Weise alle Gemütslagen, denen ein wacher Geist von der Pubertät bis ins hohe Alter ausgesetzt ist – unmittelbar, aufgekratzt, schelmisch, verträumt, sensibel, mit dem Dampfhammer. Wunderbar!

(Universal)