„Kaffee und Zucker?“ Dokumentartheater im TAK in Liechtenstein © Pablo Hassmann
Peter Füssl · 11. Okt 2021 · CD-Tipp

Daniel García Trio: Vía de la Plata

Der aus Salamanca stammende und in Madrid lebende Pianist Daniel García und seine exzellenten, langjährigen Trio-Partner, die beiden Kubaner Reinier Elizarde „El Negrón“ am Kontrabass und Drummer Michael Olivera, machen dort weiter, wo sie vor zwei Jahren mit ihrem ACT-Debüt „Travesuras“ begannen: einem eingängigen, im Detail aber durchaus auch experimentierfreudigen und mit Unerwartetem aufwartenden Mix aus zeitgenössischem Piano-Jazz und Einflüssen der spanischen Musiktradition. García ließ sich für dieses Album vor allem von der geschichtsträchtigen Bedeutung Salamancas inspirieren, bereits zur Römerzeit eine wichtige Station auf der Via de la Plata, der „Silberstraße“, die zur Hauptschlagader der iberischen Halbinsel wurde und sie zu einem Schmelztiegel unterschiedlichster Kulturen machte.

Entsprechend lebendig, bunt und abwechslungsreich klingen die sechs Eigenkompositionen des 38-jährigen Pianisten und vier ebenfalls von spanischen Edelfedern stammende Fremdkompositionen. Zumal García auch bei der Auswahl seiner solierenden Gäste ein exzellentes Händchen bewies. So fasziniert der aus Beirut stammende und eng mit der französischen Jazz-Szene verwobene Ibrahim Maalouf mit dem unverwechselbaren Klang seiner Viertelton-Trompete sowohl in einem träumerisch-nachdenklichen Stück Manuel de Fallas, als auch auf einer gut siebenminütigen, in allen Farben schillernden und in unterschiedlichsten Stimmungen schwelgenden Expedition auf der „Silk Road“. Die in New York lebende Israelin Anat Cohen veredelt auf ihrer Klarinette unter anderem das von Federico García Lorca/Ricardo Capitán geschriebene „La leyenda del tiempo“, das 1979 in der Version von Camarón de la Isla und Tomatitio zur Initialzündung für den Flamenco nuevo bzw. Flamenco-Jazz wurde. Für Daniel García also wohl ein reizvolles Objekt musikalischer Ahnenforschung. Die setzt er mit dem dritten Gast eindrucksvoll fort, denn der exzellente Flamenco-Neuerer Gerardo Núñez hat sein Stück „Calima“ eigens für diese Besetzung neu arrangiert und setzt neben seine gitarristische Brillanz auch noch verblüffende Verschränkungen von Piano und Gitarre. Nicht weniger eindrucksvoll ist aber auch, wie zackig und mit welchen Finessen Daniel García den Flamenco-Gitarrensound des großen Paco de Lucia in dessen Komposition „Volar“ auf die Klaviertasten zu übertragen versteht. García scheint also die unterschiedlichsten Einflüsse wie ein Schwamm aufzusaugen – so lässt er etwa im durch grandiose Dialoge mit Anat Cohen gekennzeichneten Titelstück „Vía de la Plata“ Einflüsse Ravels anklingen, aber auch den unter den in der Pariser Diaspora lebenden Kamerunern und Ivoaren vor zwanzig Jahren entstandenen Musik- und Tanzstil Coupé Decalé oder Melodienfragmente des uralten salamancischen Bauerntanzes Charrada. Dabei wirkt dies alles und auch das gesamte Album keineswegs zusammengewürfelt, sondern wie aus einem musikalischen Guss – virtuos gespielt und voller spielerischer Leichtigkeit. Ein musikalischer Schmelztiegel der Extraklasse.

(ACT)