Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Peter Füssl · 16. Nov 2022 · CD-Tipp

Carlo Mombelli: Lullaby For Planet Earth

Der 1960 in Pretoria geborene Bassgitarrist Carlo Mombelli wechselte mehrmals in seinem bewegten Leben seine Wohnsitze zwischen seiner südafrikanischen Heimat, Deutschland und der Schweiz und fand in den jeweiligen Jazz-Szenen immer rasch Anschluss. Dehalb finden sich in seiner Biographie prominente Zeitgenoss:innen wie Barbara Dennerlein, Charlie Mariano, Thomas Zoller, Lee Konitz, Adrian Mears, Roberto di Gioia, Marcus Wyatt oder Miriam Makeba. Außerdem komponierte Mombelli Auftragswerke unter anderem für den WDR und den Bayerischen Rundfunk, schrieb Musiken für Ballettproduktionen und für Filme, gab sein Wissen an Studierende in Konservatorien und Musikhochschulen in München, Basel, Boston oder Johannesburg weiter und machte sich auch einen Namen als Leiter von kreativen Kinder-Workshops – so unterrichtete er über Jahre hinweg in Soweto und Mamelodi Kinder auf aus Recycling-Materialien selbstgebauten Instrumenten.

Ein wacher Geist also, auch abseits der Musik, dem man einen Titel wie „Lullaby For Planet Earth“ durchaus abnimmt, auch wenn das in zuckersüßen Bonbon-Farben gehaltene Cover vielleicht zuerst etwas verunsichert. Aber schon der Blick auf die Besetzungsliste macht sicher, denn mit dem Gitarristen Wolfgang Muthspiel und dem spanischen Drummer und Vibraphonisten Jorge Rossy hat Mombelli exzellente Mitstreiter gefunden, um die neun Eigenkompositionen aus seiner Feder und das zehnte Stück aus jener seiner Tochter Maria farbenfroh, stimmungsvoll, nachdenklich und manchmal auch engergievoll und spannungsgeladen umzusetzen. Der neun Minuten lange Opener „It Hurts When I Laugh, It Tickles When I Cry“ vereint gleich alle diese Elemente in sich – plus interessanten Twists und Turns, Stops und Goes. Die drei Musker dürften sich wohl in Basel kennengelernt haben, wo Muthspiel und Rossy an der Musikhochschule FHNW unterrichten und Mombelli mehrmals als Gastdozent wirkte. Am dortigen Jazzcampus entstanden letztes Jahr auch die Aufnahmen, die vom rührigen Schweizer Alternative-Jazz-Label Clap Your Hands mitproduziert und nun veröffentlicht wurden. Manche Stücke verzaubern durch einen mit einem Latin-Hauch veredelten Chamber-Jazz-Charakter („Gentle“, „Daniel“), andere gewinnen durch geschmackvoll eingesetzte Elektronik an Stimmung („Gina’s Song“ „Compassion – The Hug“). Eine besondere Intensität strahlen jene Stücke aus, in denen sich der vom Brad Mehldau Trio, aber auch von diversen ECM-Produktionen her bestens bekannte Rossy am Vibraphon präsentiert – etwa in den spannungsgeladenen Titeln „Clouds“, „Athens“ oder „Letters of Love“. Das in Moll gesetzte, nachdenkliche Titelstück ist nahezu klassisch gehalten, wird aber durch einen lebhaften Mittelteil kurzfristig mit Energie aufgeladen. „Meine Kompositionen kommen aus Geschichten und Ereignissen, aus Gefühlen und aus meiner Umgebung, die eine südafrikanische ist. Sie entwickeln sich aus dem Bedürfnis, über meinen Rand hinaus zu gelangen und die Schönheit zwischen meinen Engeln und Dämonen zu suchen“, erklärt Carlo Mombelli. Bessere Reisebegleiter als Muthspiel und Rossy hätte er für diesen musikalischen Abenteuer-Trip nicht finden können.

(Clap Your Hands)