Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Peter Füssl · 24. Apr 2019 · CD-Tipp

Billie Eilish: When We All Fall Asleep, Where Do We Go?

Und weiter geht’s im Reigen blutjunger, (verhaltens-)origineller Supertalente, eine Sparte, in der die Frauenquote längst übererfüllt sein dürfte. Aber Quote hin oder her, auf eine wie Billie Eilish möchte niemand verzichten, wie die unzähligen Feuilleton-Artikel in renommierten Blättern eindrucksvoll beweisen. Das Ende März veröffentlichte Debütalbum mit dem ausgefallenen Titel „When We All Fall Asleep, Where Do We Go?” brachte der 17-jährigen Billie Eilish Pirate Baird O’Connell aus Los Angeles Rekordzahlen bei den diversen Internetplattformen ein: z.B. 17 Millionen Instagram-Follower, eine Milliarde Streams weltweit, 86 Millionen wollten auf Youtube sehen, wie sie im Video zu „You Should See Me In A Crown“ Dutzende Spinnen auf sich krabbeln lässt und eine Vogelspinne in den Mund nimmt, 126 Millionen klickten das Horror-Paranoia-Suizid-Video zu „Bury A Friend“ an, einem Song, der in der Zeile „I wanna end me“ kulminiert.

Angesichts solcher Zahlen sind im digitalen Zeitalter die ad hoc Top1-Chartsplatzierungen unter anderem in Großbritannien, den USA, der Schweiz und Österreich natürlich nur Peanuts. Was aber macht den enormen Erfolg aus? Da sind einmal die völlige Unverblümtheit, mit der die Kalifornierin die üblichen Teenage-Angst-Geschichten thematisiert, und ihr selbstsicherer Umgang mit jeglichen Guten-Geschmack-Grenzen. Musikalisch klaut sie sich – mit Unterstützung ihres vier Jahre älteren Bruders Finneas – alles zusammen, was sich in den unterschiedlichsten Electronic-Subgenres und Hip-Hop-Styles, im Low-Fi-Genre oder im fast schon traditionellen akustischen Balladenbereich als interessant und verkaufsträchtig erwiesen hat, um es sich auf originelle Weise ganz zu eigen zu machen. Das passende Statement dazu „Das Genre ist noch nicht tot, aber es soll sterben“ verkündet sie mit demselben provokativ gelangweilten Gesichtsausdruck einer 17-Jährigen, den sie auch beim Singen aufsetzt. Was die Modulation ihrer Stimme betrifft, kennt Billie Eilish ebenfalls keine Grenzen – sie flüstert, ja haucht, pitcht sie hoch, jagt sie durch verschiedenste Verzerrer, singt mit sich selber im Chor, oder scheint sich stimmlich irgendwo in der lasziven Sphäre zwischen Wachsein und Tiefschlaf anzusiedeln. Das alles übt nicht nur auf Jugendliche eine enorme, emotionale Anziehungskraft aus, weil Eilish aus ihrem Herzen keine Mördergrube macht, sondern völlig unverstellt und authentisch wirkt. Sie ist bereits seit ihrem 13. Lebensjahr im Geschäft – ob ihr die Zukunft gehört? Die Gegenwart tut es jedenfalls!

(Darkroom/Interscope/Universal)