Ethan Coen hat seinen ersten Spielfilm als Soloregisseur gedreht: „Drive-Away Dolls“. (Foto: Focus Features)
Peter Füssl · 17. Apr 2019 · CD-Tipp

Adam Bałdych Quartet: sacrum profanum

Als jungen Geiger hat man den heutigen Starviolinisten Adam Bałdych von der Musikschule geworfen, weil er Jazz spielte und weil sein Versuch, den Geigenklang neu zu definieren, partout nicht in die Ohren der Klassiker passen wollte. Längst hat sich Bałdych mit der Klassik ausgesöhnt und integriert in seine gleichermaßen vom Jazz inspirierte Musik seinen Zwecken dienliche Elemente ungeachtet aller Genregrenzen. Es ist also wenig verwunderlich, dass der heute 32-jährige Pole auf der Suche nach zeitloser Schönheit, Harmonie und Wahrheit zur sakralen Musik fand, die er respektvoll neu arrangierte und in seiner zeitgemäßen Musiksprache interpretierte, ohne sie ihres mystischen Charakters zu berauben.

Die fünf Titel umspannen Jahrhunderte – von Hildegard von Bingen und einem unbekannten Tonsetzer des 13. Jahrhunderts zum englischen Renaissance-Komponisten Thomas Tallis, vom italienischen Priester-Komponisten Gregorio Allegri bis in die Gegenwart, zur stets von Spiritualität erfüllten, vielfach ausgezeichneten russischen Zeitgenossin Sofia Gubaidulina. Ihr „Concerto For Viola and Orchestra“ changiert zwischen vielen Stimmungen und Stilen und ist sicher das unkonventionellste Stück des Albums. In die fünf Fremdkompositionen integriert Adam Bałdych fünf eigene Stücke, die vom rockigen „Repetition“ über das melodisch wunderschön dahinschmachtende „Longing“ bis zum poppigen Finale „Jardin“ einen weiten stilistischen Bogen spannen. Dennoch wirken alle zehn Titel wie aus einem Guss, was sicher auch dem großartigen Einfühlungsvermögen der polnischen Musiker zu verdanken ist, die der Geiger auf seinem fünften ACT-Album zum ersten Mal präsentiert: Pianist Krzysztof Dys, der sein Instrument manchmal auch präpariert oder zum Spielzeug-Piano greift, Kontrabassist Michał Barański und Dawid Fortuna, der seine Drums um Gran Cassa, Gongs und Zimbeln erweitert, unterstützen den Teile des Programms auf der Renaissance-Violine spielenden Adam Bałdych bei der Verwirklichung seiner Vorstellung von Virtuosität: „Virtuosität bedeutet für mich heute die ausgefeilte Varietät des Klangs, voller neuer Farben und verschiedener Techniken, welche mir beim Experimentieren mit dem Instrument ein unendliches Meer an Möglichkeiten eröffnen.“ Dieses unendliche Meer lädt mit seiner Vielzahl an Stimmungen zum akustischen Dauerbad ein.

(ACT)