Uraufführung des Stückes „Stromberger oder Bilder von allem“ im Vorarlberger Landestheater (Foto: Anja Köhler)
Peter Füssl · 15. Apr 2019 · CD-Tipp

The Claypool Lennon Delirium: South of Reality

Es muss die Hölle sein, als Sohn von John Lennon und Yoko Ono Popmusik machen zu wollen. Der mittlerweile auch schon 43-jährige Sean Lennon packt aber den Stier bei den Hörnern und versucht gar nicht erst, nicht wie sein Vater zu klingen. Ganz im Gegenteil, nie klang er ihm ähnlicher als auf dem zweiten Album mit Les Claypool, dem Sänger und genialen Bassisten der für ihre schrägen musikalischen Ideen (Eigendefinition: „psychedelic polka“) und skurrilen Texte bekannten kalifornischen Metal-Jazz-Funk-Prog-Rock-Band Primus.

„Delirium“ ist gar keine unpassende Bezeichnung für diesen wild mäandernden Stil-Mix aus frühen Pink Floyd, späten Beatles und einem über die Maßen gut aufgelegten Zappa, kombiniert mit Claypools knallhart antreibenden, geslapptem Funk-Rumpelbass und leicht ins Ohr gehenden Melodien aus dem Hause Lennon. Die zwischen dreieinhalb und knapp acht Minuten langen Stücke bersten fast vor überraschenden Soundideen und gewagten Stil- und Tempowechseln, die perfekt zu den bissigen und absurden Texten passen. Dass sich das alles nicht in x-beliebiger Belanglosigkeit verliert, spricht für die Arrangierkunst und das Formgefühl der beiden doch leicht exzentrisch wirkenden Herren. Dem obskuren Raketenforscher und okkulten Aleister Crowley-Jünger John „Jack“ Parsons eine – wie soll man es nennen? – Minimini-Oper zu widmen, passt ebenso ins bizarre Setting wie die übernatürliche, in einem hörenswerten Gitarrensolo Lennons gipfelnde Geschichte „Amethyst Realm“ oder die Sitar-verzierten „Cricket Chronicles Revisited“. Wie der auf dem Cover abgebildete, überdimensionale Floh, der sich mit einem Kompass auf die Suche nach der Realität macht, befinden sich auch Claypool und Lennon ganz sicher „South of Reality“ – das ist aber, gut hörbar, ohnehin ihre absolute Wohlfühlzone!

(ATO Records)