„Kaffee und Zucker?“ Dokumentartheater im TAK in Liechtenstein © Pablo Hassmann
Silvia Thurner · 15. Apr 2019 · Musik

In guter Stimmung und motivierter Übereinkunft – Der Geiger Emmanuel Tjeknavorian, das Symphonieorchester Vorarlberg und Sascha Goetzel zogen das Publikum in ihren Bann

Beim fünften Abonnementkonzert des Symphonieorchesters Vorarlberg wurden Werke der russischen Komponisten Michail Glinka und Dmitri Schostakowitsch präsentiert. Der 24-jährige Geiger Emmanuel Tjeknavorian bildete mit seiner klangsinnlichen und zugleich virtuosen Deutung des berühmten Violinkonzertes von Jean Sibelius den strahlenden Mittelpunkt. Auf allen Linien begeisterten auch die SOV-Musikerinnen und -Musiker durch die vielgestaltige Dramaturgie der Werkdeutungen sowie die herausragenden Soli. Der energische Dirigent Sascha Goetzel führte das Orchester mit ausladenden Gesten, er mobilisierte die Kräfte aller und führte sie in einem beeindruckenden musikalischen Ganzen zusammen.

Der aus Wien stammende Geiger Emmanuel Tjeknavorian war im vergangenen Jahr als Solist im Rahmen der Abonnementreihe „Dornbirn Klassik“ sowie als Kammermusiker in der Vorarlberger Landesbibliothek zu erleben. Deshalb waren nun die Vorfreude, aber auch die Erwartungen an den Musiker hoch gesteckt. Noch dazu hatte sich Emmanuel Tjeknavorian mit Sibelius‘ Violinkonzert op. 47 eines der berühmtesten Werke der Violinliteratur vorgenommen und regte damit zu Interpretationsvergleichen an.
Mit seinem sensiblen und klar profilierten Spiel kehrte Emmanuel Tjeknavorian die Emotionalität der Musik aussagekräftig hervor. Intensiv formte er die raumgreifenden melodischen Phrasierungsbögen und musizierte mit makelloser spieltechnischer Brillanz. Besonders in den höheren Lagen verströmte Tjeknavorians Stradivari-Geige einen satt-schmelzenden Ton. Die große Bühnenpräsenz des Musikers bündelte die Aufmerksamkeit der Zuhörenden im Bregenzer Festspielhaus, so dass sich eine konzentrierte Atmosphäre ausbreitete. Viele Details ließen sich aufzählen, was diese Werkdeutung auszeichnete. Besonders in Erinnerung blieb unter anderem die kluge Phrasierung von virtuosen Figurationen, in denen der Solist die harmonischen Stütztöne gut konturierend herauskristallisierte. Den volksmusikalischen Charakter mancher Themen zelebrierte Emmanuel Tjeknavorian ausdrucksvoll, und große Intervalle nutzte er für vielgestaltige Tongebungen. Wie ein Lied zelebrierte er die Kantilene im langsamen Satz über einem ständig auf- und abwallenden Klanggrund. Die rhythmische Pointe im Finalsatz setzte der Solist mit einer straffen Bogenführung um.
Emmanuel Tjeknavorian konnte sich während seines Spiels voll und ganz auf die Orchestermusikerinnen und -musiker verlassen, die sehr detailreich und „ganz Ohr“ auf den Solisten eingingen und in Kommunikation zu ihm traten. So zeichnete sich die viel bejubelte Darbietung auch durch das sensible gegenseitige Geben und Nehmen des Solisten mit dem Orchester und umgekehrt aus.

Erfreuliches und erfolgreiches Debüt 

Der Dirigent Sascha Goetzel stand zum ersten Mal am Pult des Symphonieorchesters Vorarlberg. Besonders im Opernfach hat der ebenfalls aus Wien stammende Dirigent viel Anerkennung gefunden. Dies kam zuerst in der Ouvertüre zur Oper „Ruslan und Ludmilla“ von Michael Glinka zur Geltung. Allerdings wirkte diese Interpretation etwas „übermotiviert“, fast nervös und deshalb trotz spieltechnischer Raffinesse der Musiker und großem Körpereinsatz des Dirigenten nicht sehr überzeugend.
Schließlich stellten das SOV und Sascha Goetzel die erste Symphonie Nr. 1, op. 10 von Dmitri Schostakowitsch mitreißend in den Raum. Kantig präsentierten die Musikerinnen und Musiker die eher kleingliedrig angelegten Motive und Themen im Eröffnungssatz. Dabei zogen sie mit imponierenden Soli alle Register und bewegten den musikalischen Fluss mit schillernden Klangfarben. Kontrastreich wurde der archaisch kraftvolle zweite Satz modelliert. Das schillernde Konglomerat aus vielerlei Klangfarben, verbunden mit einer ausgezeichneten Pianokultur, zeigte, dass das Symphonieorchester Vorarlberg in Topform ist und machte die Professionalität des Dirigenten erlebbar. Die Dramaturgie der Tempi und die zahlreichen Rhythmuswechsel verdeutlichten darüber hinaus die ironisierende Note der Musik. Dass sich Sascha Goetzel und die Musikerinnen und Musiker in ihrem gemeinsamen Tun einig waren und sich bestens verstanden, war gut nachvollziehbar und führte zu einem erfrischenden Konzerterlebnis.